Repertoire

PUTSCH

Alistair Beaton | Dietmar Jacobs

Anleitung zur Zerstörung einer Demokratie

Vorstellungsdauer | 2h15 | Eine Pause
Premiere A | Donnerstag, 02. Oktober 2025
Premiere B | Freitag, 03. Oktober 2025
Inszenierung Meinhard Zanger
Bühne Kostüme Tom Grasshof

Klara ist mehr als nur witzig – sie ist scharfzüngig, klug und brandgefährlich. Als ein einziger Ausrutscher reicht, um ihre erfolgreiche Fernsehsendung abzusetzen, scheint ihre Karriere vorbei. Doch Klara denkt nicht ans Aufgeben – sie schlägt zurück. Mit Charme, Wut und gnadenlosem Instinkt für Wirkung entfacht sie eine Bewegung, die das ganze System erschüttert. Was als persönliche Abrechnung beginnt, wächst sich zur politischen Lawine aus. Die Grenzen zwischen Satire und Ernst, Aktivismus und Show, links und rechts, Medienmacht und Manipulation verschwimmen zusehends. In einem immer schriller werdenden Schlagabtausch geraten Ideale und Institutionen gleichermaßen ins Wanken.

Zwischen Witz und Wut tastet sich das Stück durch das mediale Dickicht unserer Gegenwart – und trifft mitten ins politische Nervenzentrum.

Nach ihrer gefeierten Satire »Kardinalfehler« liefert das Autorenteam Beaton und Jacobs erneut eine scharfzüngige, temporeiche Komödie, die zeigt: Demokratie ist nicht nur eine Staatsform, sondern ein täglicher Kraftakt. Für die Komposition der Musik ist Andreas Schnermann verantwortlich.
PUTSCH entstand als Auftragswerk für das Theater Trier. Das WBT zeigt die Zweitaufführung in einer überarbeiteten Fassung.

Ein Muss. Politisches Theater sollte so sein.

Hier geht es zu der Kritk.
 

Recycelt den Irrsinn gegenwärtiger Realität(en)

Münster. Dampf, Nebel, Geschrei, Soldaten hasten geduckt mit Gewehr im Anschlag über die Bühne, Rufe: «Handy – tot», alles ist «lahmgelegt», - Krieg? Nein: Show! Schon federt Conférencier (nonchalant: Bernd Reheuser) eine blitzende Showtreppe hinunter: «Wie funktioniert ein Putsch heue?». Im Wolfangang-Borchert-Theater in Münster feierte «Putsch» des Autorenduos A. Beaton und D. Jacobs Premiere, ein Stück als «Anleitung zur Zerstörung der Demokratie». Die Showtreppe ist der heimliche Star des Abends, hier rennt jeder mal rauf, mal runter. Sie relativiert das Theater im Theater, nur am Ende liegt sie unbeleuchtet da wie ein Steg ins Niemandsland. Auf ihr und um sie herum werden aktuelle (Reiz-)Themen durchdekliniert, fallen zeitrelevante Codes wie «gendersensibel», «Translesung», «woke» und «vegan». Das «Früher-war-alles-besser»-Mantra schwirrt wie eine Drohne über die Bühne: «Deutschland war eine gute geölte Maschine!». Radikale Partei («Unser Haus Deutschland» – UHD) im Aufschwung, brüllend randalierende Wutbürger, eine erfolgreiche Frau zwischen ideologischen Fronten, Tochter Melli als Jeanne d’Arc einer «Weltretter»-Jugend, das Hohelied des «gesunden Menschenverstands» als Parole: In «Putsch» werden Zeitgeist und Zeitgeister lapidar exorziert. Es beginnt damit, dass Klara Milkowski (frappant: Ivana Langmajer) Klartext der Chefetage missfällt – die Moderatorin einer erfolgreichen Fernsehsendung wird gefeuert. Ihr Spürsinn für «political correctness» verlässt sie jedoch, als ein aalglatt alerter Multimillionär (elegant: Gregor Eckert) sie für seine Partei «Unser Haus Deutschland» anheuert und als Kanzlerkandidatin nominiert. Konflikte mit der Tochter (leidend: Katharina Hannappel), eine fast gewonnene Wahl und politische Radikalisierung obskur-unsichtbarer Hintermänner bringen sie wieder halbwegs zur Vernunft – Happy End? 40 Rollen für neun Schauspieler (Inszenierung: Meinhard Zanger) – die Aufsplitterung persönlicher Wahrheiten wie ihrer Austauschbarkeit wurde derart repräsentativ darstellbar. Kaum meldet sich das «Volk» zu Wort, tauchen maskierte Liliputaner als Kreuzritter wüster Moral auf, die als anonyme Heerscharen letztgültiger «Wahrheit» im Internet propagandistische «hate speech» posten. Jedermann bettelt um den Ritterschlag als Opfer – und sucht sich seins. Denn auch Klara bekommt ihr Fett weg: «Nazischlampe!». Dann naht der Showdown samt Friedens-Sing-Sang. Das Stück «Putsch» recycelt den Irrsinn gegenwärtiger Realität(en). [Westfälische Nachrichten]
 

«...hinreißend komisch, unterhaltsam und [...] beunruhigend aktuell.»

«Putsch – Anleitung zur Zerstörung einer Demokratie» am Wolfgang Borchert Theater in Münster ist Polittheater, wie man es sich besser kaum wünschen kann. In der vergangenen Woche feierte das Stück seine Premiere – mit standing ovations und einem begeisterten Premierenpublikum. Alistair Beaton und Dietmar Jacobs haben die brillante Vorlage zu dieser Satire geschrieben: klug, scharfzüngig und gnadenlos pointiert. Doch hinter all dem Witz lauert eine Portion Fatalismus, und das Lachen bleibt einem bisweilen wie eine Fischgräte im Hals stecken Meinhard Zanger inszeniert das Stück mit offensichtlich diabolischer Freude, rasantem Tempo und satter Bühnenwirkung, Knalleffekte und Pulverdampf inklusive. Im Zentrum steht eine grell ausgeleuchtete Showbühne, wie man sie aus klassischen Fernsehsendungen kennt. Hier marschieren sie der Reihe nach auf: Moderator und Conférencier im Glitzeranzug (Bernd Reheuser, süffisant und charmant back on stage), die Fernsehmoderatorin und spätere Innenministerin Klara Milkowski (herausragend: Ivana Langmajer), der aalglatte UHD-Parteistratege Oskar Falk (Gregor Eckert, als brillanter Strippenzieher), Tochter Melli, die rebellische Stimme der Vernunft (Katharina Hannappel, jugendlich ungestüm mit starker Präsenz), sowie Florian Bender, wandlungsfähig, mit vielen Gesichtern in mehreren Rollen, besonders überzeugend als aufgebrachter, angepisster Wutbürger. Zanger kann sich auf ein spielfreudiges Ensemble verlassen. Alle Figuren werden mit Lust an der Zuspitzung gespielt, jede Pointe sitzt. Das ist hinreißend komisch, unterhaltsam und gleichzeitig beunruhigend aktuell. «Zwischen Witz und Wut tastet sich das Stück durch das mediale Dickicht unserer Gegenwart – und trifft mitten ins politische Nervenzentrum.» «Putsch» spielt im Jahr 2029, im Jahr der nächsten Bundestagswahl. Was als Zukunftsvision angelegt ist, liest sich wie eine düstere Fortschreibung unserer Gegenwart. Die Satire führt vor, wie wenig es braucht, um demokratische Strukturen auszuhebeln: durch Stimmungsmache, Medienstrategien, Social Media, Fake-News und den schleichenden Triumph populistischer Parolen. Täglich, so scheint es, holt die Realität den Bühnentext ein. Im Pulverdampf stürmen Soldaten über die Bühne, es wird geschossen und geballert, das Kanzleramt ist besetzt: Vollzug! – So beginnt der Abend. Doch sofort tritt der Moderator auf und stoppt die Szene. Schnitt! «So läuft das heute nicht mehr», erklärt er. Statt eines klassischen Militärputsches zeigt er dem Publikum exemplarisch Schritt für Schritt, wie man eine Demokratie von innen heraus destabilisiert, über Medien, Desinformation und gezielte Empörung. «Jeder Putsch braucht das Chaos», sagt er, und demonstriert, wie einfach sich dieses Chaos erzeugen lässt. Als die Sendung der populären Fernsehmoderatorin Klara Milkowski, von einer übervorsichtigen Intendanz geschnitten, zensiert und anschließend öffentlich diffamiert, schließlich die Seiten wechselt und zur Galionsfigur der rechten UHD-Partei wird, ist der Weg in den Abgrund vorgezeichnet. Der Systemwechsel findet statt. Die Populisten und Rechten übernehmen das Ruder im Land. Es ist Fiktion – aber erschreckend nah an der Wirklichkeit. Zanger zeigt ein grelles, unterhaltsames und zugleich beklemmendes Lehrstück über Macht, Manipulation und Medien. Doch «Putsch» steht, wie das politische Kabarett, vor dem bekannten Dilemma: Es erreicht vor allem jene, die ohnehin überzeugt sind. Die Lacher im Publikum kommen meist von denen, die die Warnsignale längst verstanden haben. Am Ende bleibt ein Rest Hoffnung oder ist es purer Hohn? Wenn Melli ihr Widerstandslied anstimmt, schwingt beides mit: Trotz und Verzweiflung, Mut und Resignation. Vielleicht ist genau das die Stärke dieses Abends: Er zwingt uns, weiterzureden und zu diskutieren. «Putsch» ist ein mitreißend gespieltes, klug inszeniertes und erschreckend realistisches Stück über die Zerbrechlichkeit unserer Demokratie und die aktuell drohende Gefahr für unsere Gesellschaft. Unbedingt sehenswert, denn wir müssen reden – und handeln! [Westfalium]
 

Wie man eine Demokratie zerstört?...

Münster (gl.). Wie man eine Demokratie zerstört? Dafür gibt es aktuell reichlich Vorbilder, auch im eigenen Land. Wer trotzdem noch Anregungen braucht, dem sei der Besuch des Wolfgang-Borchert-Theaters in Münster empfohlen. Dort fühlt sogar ein Conférencier (Bernd Reheuser) durch das Programm und erläutert – in silberglitzerndem Jackett von der Showtreppe aus – Schritt für Schritt, wie es gehen kann.

«Wenn ich Euch da schon sitzen seh‘», motzt Florian Bender ins Publikum. Er ist einer der Wutbürger – unverzichtbarer Steigbügelhalter für den geplanten Umsturz des Systems. Dieser hier kommt aus Harsewinkel, fühlt sich abgehängt von Bus und Bahn – und dem nächsten Zahnarzt – und tobt nur so über die Bühne. Zum Umsturz braucht es heute keine paramilitärischen Einheiten mehr, so der Tenor von «Putsch. Anleitung zur Zerstörung einer Demokratie» von Alistair Beaton und Dietmar Jacobs. Nur einen Haufen Unzufriedener, ganz viel Social-Media-Hysterie und ein paar ewig Gestrige, die eine andere Herrschaftsform anstreben. Dazu einen legeren Hosenanzug, Rollkragenpullover und Perlenkette – und fertig ist die Alice Weidel.

Meinhard Zanger inszeniert das Schauspiel am Borchert als Satire mit Revuecharakter vor bitterbösem Hintergrund. Die Bühne wird von der Showtreppe dominiert. Auf ihr tummeln sich die Protagonisten: Klara (die wandlungsfähige Ivana Langmajer), die als scharfzüngige Kabarettistin mit Aussagen zu Muslimen und Transmenschen in die rechte Ecke locker-süffisant dargestellter Vorstand der Partei «Unser Haus Deutschland», der Klara in seine Fänge bekommt. Die politische Lawine nimmt Fahrt auf.

So oder ähnlich laufen die Dinge zurzeit – und ohne Witz sind sie schlichtweg nicht zu ertragen: Da klappt der Bundeskanzler (ebenfalls Bender) wenig souverän unter den 1000 Forderungen der anderen «Altparteien» (die ihre Köpfe keck durch den hinteren Vorhang stecken) in sich zusammen, sitzt Klara bei Markus Lanz herum und kriechen Social-Media-Schreihälse als Zwerge über die Bühne und tippen, was das Zeug hält, auf ihren Handys herum. Wie lange auch immer «Putsch» gespielt wird – die Frage ist: Was, wenn die Realität das Stück überholt? Aber vielleicht kommt es ja nicht so weit. Das Mutmacherliedchen am Ende des Schauspiels wirkt da aber wenig kraftvoll. [Die Glocke]

 

«reizte das Publikum zu amüsiertem Lachen.»

Beim Wort «Putsch» denkt man klischeehaft an sogenannte Bananenrepubliken, in denen alle paar Monate ein neuer Autokrat oder Diktator gewaltsam an die Macht kommt, gerne mit Unterstützung des Militärs. Dass es solcherlei Aufwand gar nicht braucht, um eine vormals stabile Demokratie in ein labiles Kartenhaus zu verwandeln, bekommen wir im Zeitraffer in der tragikomischen Satire Putsch. Anleitung zur Zerstörung einer Demokratie von Alistair Beaton und Dietmar Jacobs (Inszenierung: Meinhard Zanger) vorgeführt. Das Stück beginnt wie das Klischee, die Bühne ist in wabernden Rauch gehüllt, überall wimmelt es von Soldaten, die mit Umsturzabsichten zum Bundeskanzler vorzudringen versuchen, bis – ja, bis Bernd Reheuser als Conférencier die Szene abrupt stoppt. Denn heutzutage gehen Demokratiefeinde doch viel subtiler vor – und hintergehen die Demokratie mit ihren eigenen Mitteln, bis die Mehrheit des Volkes die Demokratie abwählt. Die Absetzung der NDR-Moderatorin Julia Ruhs kurz vor der Putsch-Premiere hätte zeitlich nicht passender sein können, stellt Ruhs doch zumindest in Ansätzen eine prominente Medien-Person dar, wie sie zu Beginn des Stücks Ivana Langmajer als Klara Milkowski spielt. Die ist Moderatorin einer TV-Sendung und vertritt rechts-konservative Meinungen, die dem Volk aus der Seele sprechen sollen. Wobei die Grenzen des «Sagbaren» mehr und mehr nach rechts verschoben werden – um auszutesten, wie weit man inzwischen gehen kann. Von anonymen Internet-Trollen bekommt Klara vervielfältigende Unterstützung, die es braucht, um eine politische Lawine ins Rollen zu bringen. Im Laufe des Stücks mutiert sie zur Alice-Weidel-Wiedergängerin mit streng nach hinten gezopftem Haar. Der Vergleich mit der AfD und ihren demokratiezermürbenden Methoden und Parolen sollte offensichtlich sein. Und so schlittert Milkowski in eine politische Karriere hinein, die letztlich nur der Partei, die hier UHD heißt, und ihrem Vorsitzenden Oskar Falk (Gregor Eckert) nützt, für den die Milkowski doch nur eine Marionette ist. Das WBT-Ensemble agierte überaus spielfreudig, die «komischen» Elemente des Stücks, etwa der tumbe Wutbürger (Florian Bender), reizten das Publikum zu amüsiertem Lachen. Obwohl einem doch ebendieses im Halse stecken bleiben müsste, wenn man das Stück mit unserer Realität vergleicht… [Ultimo]
 

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