«Putsch – Anleitung zur Zerstörung einer Demokratie» am Wolfgang Borchert Theater in Münster ist Polittheater, wie man es sich besser kaum wünschen kann. In der vergangenen Woche
feierte das Stück seine Premiere – mit standing ovations und einem begeisterten Premierenpublikum.
Alistair Beaton und Dietmar Jacobs haben die brillante Vorlage zu dieser Satire geschrieben: klug, scharfzüngig und gnadenlos pointiert. Doch hinter all dem Witz lauert eine Portion Fatalismus, und das Lachen bleibt einem bisweilen wie eine Fischgräte im Hals stecken
Meinhard Zanger inszeniert das Stück mit offensichtlich diabolischer Freude, rasantem Tempo und satter Bühnenwirkung, Knalleffekte und Pulverdampf inklusive. Im Zentrum steht eine grell ausgeleuchtete Showbühne, wie man sie aus klassischen Fernsehsendungen kennt. Hier marschieren sie der Reihe nach auf: Moderator und Conférencier im Glitzeranzug (
Bernd Reheuser, süffisant und charmant back on stage), die Fernsehmoderatorin und spätere Innenministerin Klara Milkowski (herausragend:
Ivana Langmajer), der aalglatte UHD-Parteistratege Oskar Falk (
Gregor Eckert, als brillanter Strippenzieher), Tochter Melli, die rebellische Stimme der Vernunft (
Katharina Hannappel, jugendlich ungestüm mit starker Präsenz), sowie
Florian Bender, wandlungsfähig, mit vielen Gesichtern in mehreren Rollen, besonders überzeugend als aufgebrachter, angepisster Wutbürger.
Zanger kann sich auf ein spielfreudiges Ensemble verlassen. Alle Figuren werden mit Lust an der Zuspitzung gespielt, jede Pointe sitzt. Das ist hinreißend komisch, unterhaltsam und gleichzeitig beunruhigend aktuell. «Zwischen Witz und Wut tastet sich das Stück durch das mediale Dickicht unserer Gegenwart – und trifft mitten ins politische Nervenzentrum.»
«Putsch» spielt im Jahr 2029, im Jahr der nächsten Bundestagswahl. Was als Zukunftsvision angelegt ist, liest sich wie eine düstere Fortschreibung unserer Gegenwart. Die Satire führt vor, wie wenig es braucht, um demokratische Strukturen auszuhebeln: durch Stimmungsmache, Medienstrategien, Social Media, Fake-News und den schleichenden Triumph populistischer Parolen. Täglich, so scheint es, holt die Realität den Bühnentext ein.
Im Pulverdampf stürmen Soldaten über die Bühne, es wird geschossen und geballert, das Kanzleramt ist besetzt: Vollzug! – So beginnt der Abend. Doch sofort tritt der Moderator auf und stoppt die Szene. Schnitt! «So läuft das heute nicht mehr», erklärt er. Statt eines klassischen Militärputsches zeigt er dem Publikum exemplarisch Schritt für Schritt, wie man eine Demokratie von innen heraus destabilisiert, über Medien, Desinformation und gezielte Empörung. «Jeder Putsch braucht das Chaos», sagt er, und demonstriert, wie einfach sich dieses Chaos erzeugen lässt.
Als die Sendung der populären Fernsehmoderatorin Klara Milkowski, von einer übervorsichtigen Intendanz geschnitten, zensiert und anschließend öffentlich diffamiert, schließlich die Seiten wechselt und zur Galionsfigur der rechten UHD-Partei wird, ist der Weg in den Abgrund vorgezeichnet. Der Systemwechsel findet statt. Die Populisten und Rechten übernehmen das Ruder im Land. Es ist Fiktion – aber erschreckend nah an der Wirklichkeit.
Zanger zeigt ein grelles, unterhaltsames und zugleich beklemmendes Lehrstück über Macht, Manipulation und Medien. Doch «Putsch» steht, wie das politische Kabarett, vor dem bekannten Dilemma: Es erreicht vor allem jene, die ohnehin überzeugt sind. Die Lacher im Publikum kommen meist von denen, die die Warnsignale längst verstanden haben.
Am Ende bleibt ein Rest Hoffnung oder ist es purer Hohn? Wenn Melli ihr Widerstandslied anstimmt, schwingt beides mit: Trotz und Verzweiflung, Mut und Resignation. Vielleicht ist genau das die Stärke dieses Abends: Er zwingt uns, weiterzureden und zu diskutieren.
«Putsch» ist ein mitreißend gespieltes, klug inszeniertes und erschreckend realistisches Stück über die Zerbrechlichkeit unserer Demokratie und die aktuell drohende Gefahr für unsere Gesellschaft. Unbedingt sehenswert, denn wir müssen reden – und handeln!
[Westfalium]