GESCHICHTE DES WBT
Vom Anfang bis heute
Das Wolfgang Borchert Theater zählt zu den ältesten Privattheatern Deutschlands. Es wurde 1956 als »Theater im Kleinen Raum mit 40 Zuschauerplätzen von Claus Wernert gegründet und zwei Jahre später fortgeführt als »Zimmertheater« im Bahnhof mit bereits ca. 100 Sitzen. Gedacht als Antwort auf verkrustete Strukturen an Stadt- und Staatstheatern und als Angriff auf überholte Inhalte und verstaubte Ästhetik entwickelte es sich schnell zur Avantgarde-Bühne. Hier wurden Stücke der Existenzialisten Jean-Paul Sartre und Albert Camus gespielt. Seit dieser Zeit ist das WBT neuen theatralischen Formen und modernen Stücken gesellschaftskritischen, philosophischen Inhalts verpflichtet und eindeutig literarisch ambitioniert.
Seit 1959 ist ein gemeinnütziger Förderverein Rechtsträger des Theater. Bereits in den 1970er Jahren erwarb sich das »Zimmertheater« einen überregionalen Ruf durch zahlreiche Gastspiele und stetiger Erweiterung des Programms, z.B. durch Kinderstücke. Zum 25-Jährigen Jubiläum in der Spielzeit 1982/83, auf dem Höhepunkt der Friedensbewegung, entschied der damalige Intendant Wolfgang Trautwein, das Theater in »Wolfgang Borchert Theater« umzubenennen.
Seit 2024 ist Tanja Weidner Intendantin des Hauses, vorher war es seit 2006 Meinhard Zanger. Bundesweite Beachtung fanden künstlerisch hochwertige Produktionen, darunter an erster Stelle 2012 das Außenprojekt EIN SOMMERNACHTSTRAUM in Münsters Gasometer, das 20.000 Zuschauer besuchten. 2012 wurde das WBT in der Kritiker-Umfrage des Fachmagazins Die deutsche Bühne zum »besten Off-Theater« der Bundesrepublik gekürt. Überregionale Aufmerksamkeit erregten auch das mit dem WDR koproduzierte Projekt BLIND DATE III 2010, Zusammenarbeiten mit den Städtischen Bühnen Wuppertal und Dortmund (und ein daraus folgendes Gastspiel in Tel Aviv) sowie 2013 die Koproduktion mit den Ruhrfestspielen Recklinghausen der Uraufführung des Auftragswerks WER IST DIE WAFFE, WO IST DER FEIND von Oliver Bukowski.
Da das alte Haus am Hafen zu klein geworden war, zog das WBT im Herbst 2014 in ein neues Theater im Flechtheimspeicher auf der gegenüberliegenden Hafenseite. Mit 146 Plätzen, barrierefreiem Zugang, neuer Technik und einem großzügigen Foyer mit Gastronomie ist das WBT ein Theater in der 300.000 Einwohner-Stadt Münster, das modernste Standards erfüllt.
Als Ensemble- und Repertoiretheater, das 280 Vorstellungen im Jahr und über 20 Stücke im laufenden Spielplan zeigt, baut das Theater auf ein breitgefächertes Repertoire, das Diversitäten einer pluralistischen Gesellschaft aufnimmt und sehr unterschiedliche Zuschauergruppen anspricht. Gespielt werden moderne Dramatiker, gesellschaftskritische Komödien, aber auch Klassiker wie etwa Brecht, Schiller und Kleist. Wichtig ist dabei auch die Arbeit mit Jugendlichen in Form von Stück- und Mitwirkungsangeboten (z.B. in dem Stück GHETTO von Joshua Sobol 2018), flankiert durch Einführungen, Workshops, Nachbereitungen, sowie Zusatzprogramme, etwa kostenlose Matineen und Late Nights, sowie das besondere Format DAS PHILOSOPHISCHE CAFÉ, bei dem Zuschauer mit Professoren alltäglichen philosophischen Fragen nachgehen.
Als Gegenpol zum Kammerspiel gab es auch bereits große Sommertheater-Open-Air-Events an exponierten Orten, Shakespeares SOMMERNACHTSTRAUM im Gasometer 2012 und auf einer Wasserbühne im Hafenbecken vor dem Theater 2017/18 DER STURM und 2021/22 THE BLACK RIDER – THE CASTING OF THE MAGIC BULLETS mit jeweils mehr als 20.000 Zuschauern. Besondere Aktivitäten zu Jubiläen rahmen das Programm ab, so die Uraufführung des Auftragswerks DAS NEUE JERUSALEM im Reformationsjahr 2017 und die Uraufführung des Auftragswerks WANN, WENN NICHT JETZT? zum 375. Jubiläum des Westfälischen Friedens.
In der Intendanz Meinhard Zangers (2006-2024) gibt es Kontakte in die Schweiz, nach Israel und in die Niederlande. Seit 2015 wird die internationale Zusammenarbeit ausgeweitet, in erster Linie durch die deutsch-russische Koproduktion DIE SCHROFFENSTEINS – EINE FAMILIENSCHLACHT mit dem Staatstheater Rjasan, die in Münster und Rjasan, aber auch auf Festivals in Belgrad, Moskau und St. Petersburg gezeigt wurden. Daraus erwuchs auch die Zusammenarbeit mit der italienischen Regisseurin Luisa Guarro, die das WBT-Team in Rjasan kennengelernt hatte. Für DIE SCHROFFENSTEINS und damit die nachhaltige Kooperation wurden das WBT mit dem Dramatheater Rjasan im September 2018 von den Außenministern Russlands und Deutschlands im Auswärtigen Amt Berlin geehrt.
Finanziert wird das Wolfgang Borchert Theater vor allem durch Eigeneinnahmen, die sich durch Kartenverkauf, Mitgliedsbeiträge und Spenden zusammensetzen. Die Eigeneinnahmen machen zusammen mehr als 50 % des 1 Mio. € umfassenden Etats aus, eine im Vergleich zu anderen bundesrepublikanischen Bühnen überdurchschnittlich hohe Quote. Zusätzlich wird das Theater durch Zuschüsse der öffentlichen Hand [Stadt Münster und Landschaftsverband Westfalen-Lippe] unterstützt.
Seit mehr als 20 Jahren ist die Familie Snoek der größte Förderer des Theaters. Hendrik Snoek, der seit dem Tode seines Vaters dem Theater als Vorstand und Mäzen zur Seite steht, gründete eigens zu diesem Zweck die Egbert-Snoek-Stiftung.
Die über 60-Jährige Geschichte des Wolfgang Borchert Theaters ist in der Monographie ALLES VERSPIELT (erschienen 2018 im Coppenrath-Verlag) erforscht, die Sie an der Theaterkasse oder im Buchhandel für 19,90 € erwerben können.
Flechtheimspeicher
Die jüdische Getreidehändler-Familie Flechtheim stammte ursprünglich aus Brakel. Aufgrund des boomenden Geschäfts ließ sie sich 1870 in der „Großstadt“ Münster nieder. Das Geschäft florierte, nicht zuletzt durch den Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 und die darauffolgenden Gründerjahre.
1899 wurde der Dortmund-Emskanal eröffnet und Emil Flechtheim (*1850 +1933) baute einen eigenen Speicher am Hafen. Die Weltwirtschaftskrise und die Machtergreifung der Nazis zwangen 1939 zum Verkauf. Die Familie Rhenus erwarb den Speicher und vergrößerte das Gebäude um den direkt angrenzenden 10-geschossigen Rhenusspeicher. 1969 erwarben die Stadtwerke die beiden Grundstücke. 1996 lief der Erbbaurechtvertrag aus und die Stadtwerke wurden auch Besitzer der Gebäude. Bis 2007 wurden sie als Getreidespeicher benutzt. Die Sanierung wurde ab 2013 mit einem Etat von 10 Mio. Euro vorgenommen. Das Wolfgang Borchert Theater übernahm als Mieter die neuen Räumlichkeiten im Erd- und Untergeschoss als erweiteren Rohbau. Der Ausbau zum modernen Theater hat ca. 1 Mio. Euro gekostet und wurde weitestgehend von privaten Spendern möglich gemacht. Zu den Sponsoren gehören die NRW-Stiftung, die Sparkassenstiftung, die Sparda-Bank, die Stadtwerke Münster, die Kulturstiftung der westfälischen Provinzialversicherung und die Ratio-Gruppe.
Das Theater selbst befindet sich im Rhenusspeicher. Das Foyer ist im heute denkmalgeschützten Flechtheimspeicher untergebracht.
Alfred Flechtheim

Der berühmteste Sohn der Familie Flechtheim ist der Kunsthändler und Mäzen, Verleger und Sammler, Alfred Flechtheim. Er verhalf Künstlern der Avantgarde, Picasso, Matisse, Braque, Lehmbruck u.v.m. zum Durchbruch.
Er wurde am 1. April 1878 in Münster geboren und besuchte bis zu seinem 17. Lebensjahr das Paulinum. Ein kecker Streich zum 80. Geburtstag Otto von Bismarcks am 1. April 1895 sorgte allerdings für den Rauswurf, so dass er in Genf das Abitur nachmachen musste.
Nach seiner Getreidehandels-Ausbildung in Odessa und Paris übernahm er zunächst mit mäßigem Erfolg die Firma des Vaters, und entschied sich dann bald, der eigenen Neigung zu folgen und als Kunstsammler und Förderer zu agieren. Die erste Galerie eröffnete er in Düsseldorf. Dependancen in Köln und Frankfurt folgten. 1928 übersiedelte er schließlich nach Berlin. Seine Galerie wurde zum beliebten Treffpunkt in den Goldenen Zwanziger Jahren. Flechtheim galt als Lebemann und schillernde Figur der Kunstszene.
Das Wolfgang Borchert Theater hat zur Neueröffnung im Flechtheimspeicher am 6./7. September 2014 ein Stück über sein Leben zur Uraufführung gebracht, das die Berliner-Litauische Autorin Arna Aley als Auftragswerk für das WBT geschrieben hat. DIE LETZTE SOIRÉE lief in der Spielzeit mit großem Erfolg.