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Jean-Marie Frin nach Jack London


Monodram.

Tom wohnt Zeit seines Lebens in einem Heim für Geisteskranke, einer "Instinktuition", wie er es nennt. Zu seinem Alltag gehören Doktoren, Schwestern, "Epilextiker" und "Sabberer", darunter vor allem sein Liebling Klein-Albert. Er selbst ist irgend etwas dazwischen: Gleichsam als Einäugiger unter den Blinden versteht er es, sich im Heim nützlich zu machen: niemand beherrscht es besser, die Sabberer zu füttern als er. Außerdem besitzt er "die Gabel der Sprache", und so erzählt er uns überraschend treffend von seinem kleinen Kosmos und entlarvt dabei "Dokters" und "Politrickers" gleichermaßen. Zwei mehr oder minder freiwillige Ausflüge in die große weite Welt enden ungut, so daß Tom lieber in seiner "Heim-at" bleibt, in der ganz eigene Gesetze herrschen und in der er sich auskennt wie kein Zweiter.

Ein Stück über das Anderssein, das Trotzdem-Dazugehören und die Suche nach Anerkennung, Identität und einem eigenen Platz in der Welt.

Der Schauspieler Jean-Marie Frin (jüngst zu sehen in Von Menschen und Göttern, Gewinner des Großen Preises der Jury in Cannes 2010) entwickelte das Stück nach der Kurzgeschichte "Bei den Sabberern" des amerikanischen Autors Jack London [1876-1916]. 20 Jahre nach der deutschen Erstaufführung durch das WBT nimmt sich Regisseur Wolfgang Lichtenstein, der in der Spielzeit 2010/11 die MEISTERKLASSE inszenierte, dieses zeitlose Stück vor. Im WBT_MAGAZIN treffen in intimer Atmosphäre 40 Zuschauer auf Tom, der ihnen eine Suppe "löffel-füttert", die sie so schnell nicht vergessen werden, und in einem irrsinnig wie bewegenden Monolog seine ungewöhnliche Lebensgeschichte erzählt.


Inszenierung | Wolfgang Lichtenstein
Ausstattung | Elke König

Mitwirkender | Florian Bender [Tom] |

Premiere A | Donnerstag 29. September 2011 | 20 Uhr
Premiere B | Samstag, 1. Oktober 2011 | 20 Uhr
WBT_MAGAZIN


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PRESSESTIMMEN

Nein, es ist keine normale Theaterpremiere, zu der das Theater am Stadthafen gebeten hat: Es ist alles ein bisschen verrückt. Wie eben auch der von Florian Bender verkörperte Tom, der zum Tag der offenen Tür in "seine" Anstalt einlädt und dem Publikum, das auf kleinen Hockern an großen Holztischen Platz genommen hat, hübsche Blechteller kredenzt. Und wenn er dann, während er schier unaufhörlich labert, von Tisch zu Tisch tänzelt und aus dem Suppentopf Kelle für Kelle serviert, staunen die Besucher nicht schlecht. […]

Die Erzählung, vor 20 Jahren im Borchert-Theater als Bühnenstück erstaufgeführt, ist eigentlich nicht theatralisch. Wohl deshalb haben Regisseur Wolfgang Lichtenstein und Ausstatterin Elke König jetzt alles gegeben – und noch ein bisschen mehr. Mittendrin statt nur dabei sind die Zuschauer im grau-schwarz gestrichenen Speisesaal der Anstalt, Tom, der unter anderem vom titelgebenden "Klein Albert" (im Original "P´tit Albert") erzählt, läuft an den Tischen auf und ab, begibt sich dazwischen, kratzt mit der Suppenkelle an der Wand entlang und verteilt später noch Äpfel und schenkt Hagebuttentee aus, was die meisten Zuschauer überaus freudig annehmen.

Das ist, in knapp 90 Minuten, ein höchst origineller und oft witziger […] Theaterabend […] Florian Bender als liebenswert-verrückter Wirbelwind Tom ist dabei so furios, dass man ihm auf jeden Fall eine Schwester im Sabberer-Saal gönnt, mit der er „sich heiraten könnt´“.

Westfälische Nachrichten, 30.9.2011




Auf der Tür zum Zuschauerraum, der gleichzeitig Bühnenraum ist, steht "Vorsicht Irrenhaus. Mit Belästigungen ist zu rechnen." Nun, das ist übertrieben, wenngleich die Inszenierung im Borchert-Theater durchaus auf das Publikum übergreift. Aber eher in einem positiven Sinn – bewirtend. […] Serviert bekommt man das Ganze von Tom, einem "Deppen erster Klasse", wie er sich selbst nennt – wohl um sich von den anderen Geisteskranken abzuheben, die mit ihm hier untergebracht sind, den "Sabberern".

Für das Ein-Personen-Stück "P’tit Albert" im Borchert-Theater in Münster hat Regisseur Wolfgang Lichtenstein eine Handvoll grobgezimmerter Tische ins Magazin gestellt. Hier sitzen die Zuschauer und hören Florian Bender zu, der als Tom zwischen den Reihen herumsaust, Teller und Tassen verteilt, riesige Kochtöpfe auf die Tische wuchtet und dabei von sich und seinem Leben in der Anstalt erzählt. […] Einmal sollte er von einem Bauern adoptiert werden, aber der habe ihn wie einen Idioten behandelt. Ein andermal verliebt er sich in eine Pflegerin, doch die wird ihm von einem Klempner weggeheiratet. Dazwischen gibt er seine Sicht über Gott, die Welt, die "Instinktution" Irrenhaus und die "Politrickser" zum besten. Dass er so komisch spricht, liegt daran, dass er "die Gabel der Sprache" hat. Am Ende bricht Tom zusammen mit seinem Schützling Albert und ein paar anderen "Epilextikern" aus, um Gold zu suchen. Aber das Unternehmen scheitert. Mit der Erkenntnis, dass es besser ist, ein Depp zu sein, als sich seine Brötchen selber verdienen zu müssen, kehrt er in die Anstalt zurück. Und das ist ein schöner Schluss für die stimmungsvoll in Szene gesetzte […] Adaption einer Erzählung von Jack London.

Münstersche Zeitung, 30.9.2011