Repertoire

MARIO UND DER ZAUBERER

Thomas Mann

Bühnenfassung von Luisa Guarro

Vorstellungsdauer | 1h30 | keine Pause
Premiere A | Donnerstag, 13. November 2025
Premiere B | Freitag, 14. November 2025
Inszenierung Luisa Guarro
Bühne Kostüme Luisa Guarro
Lightdesign Paco Summonte

Sonne, gutes Essen, Dolce Vita – ein harmloser Sommerurlaub in Italien gerät für eine deutsche Familie zu einem beklemmenden Albtraum. Im Badeort Torre di Venere ist die Atmosphäre feindselig. Die Fremden werden misstrauisch beäugt, die Stimmung ist von wachsendem Nationalismus und latenter Gewalt durchzogen. Doch anstatt abzureisen, arrangiert sich die Familie mit der Situation. Der Höhepunkt des Urlaubs wird die Vorstellung des berüchtigten Magiers Cipolla, eines unheimlichen Hypnotiseurs mit erschreckender Macht über seine Zuschauer. Und niemand kann sich ihr entziehen. Doch dann trifft Cipolla auf Mario, einen jungen Kellner aus dem Ort. Als der Magier ihn zu seiner nächsten Zielscheibe macht, eskaliert die Lage…

Eine Parabel über Macht, Manipulation und den verhängnisvollen Sog totalitärer Verführung.

Der Nobelpreisträger Thomas Mann liefert in seiner Novelle eine hellsichtige Warnung vor den Gefahren autoritärer Ideologien, die bis heute nichts von ihrer Aktualität verloren hat. Auch an Manns 150ten Geburtstag fragen wir uns noch: Wie lange sehen wir zu, bevor wir handeln?

Lorenzen ist ein Ereignis!

Der dämonische Verführer Das Leben könnte so schön sein: La dolce vita am Mittelmeer. Im Grand Hotel gastieren fein gekleidete Badegäste wie aus einem Visconti-Film, am Strand steht der Liegestuhl bereit. Doch irgendetwas stimmt nicht: Der deutschen Familie werden die gewünschten Plätze auf der Restaurantterrasse verweigert, ein harmloser Husten des Sohnes erzwingt den Hotelwechsel, und als die kleine Tochter kurz mal nackt zum Meer läuft, gibt es Gezeter und eine Geldstrafe. In Thomas Manns Reiseerzählung Mario und der Zauberer erwächst aus dieser Grundstimmung das im Titel versteckte tragische Ereignis. Die italienische Regisseurin und Ausstatterin Luisa Guarro hat es in ihrer Bühnenfassung für das Wolfgang-Borchert-Theater getreulich nachempfunden und die Grundelemente der Handlung nicht angerührt. Allerdings fügt sie die Tochter der Familie nicht nur aus dramaturgischen Gründen zu Beginn als Erzählerin ein, sondern weist ihr auch die Aufgabe zu, dem Ende der Geschichte eine Art Epilog zu geben. Und setzt damit fort, was schon den Verlauf der 90-minütigen Aufführung geprägt hat: Die bei Thomas Mann eher subkutan geschilderten Hinweise auf den Nährboden des Mussolini-Faschismus stellt sie deutlich heraus. So tauchen im Rahmen der fremdenfeindlichen Vorfälle auch Schwarzhemden-Gestalten auf, und die fröhlichen italienischen Lieder gehen in eine klammheimliche Faschisten-Hymne über. Der Boden ist somit bereitet für den Auftritt des Zauberers Cipolla. Den spielt Jürgen Lorenzen - und ist ein Ereignis. Äußerlich deutlich smarter als der von Thomas Mann beschriebene dämonische Hexenmeister gibt Lorenzen einen Verführer, dessen Hypnosekräften selbst widerständige Teilnehmer aus der italienischen Zuschauergemeinde erliegen. Regisseurin Guarro, die schon aus der Platzsuche des Publikums ein ulkiges Kabinettstück gemacht hat, lässt Rosana Cleve, Ivana Langmajer und Katharina Hannappel schrill verzückt der Trickserei verfallen; Niclas Kunder verkörpert das erste Opfer Cipollas, das sich unter eingebildeten Koliken windet. Florian Bender schließlich, zu Beginn noch in der Rolle des mehrfach düpierten Familienvaters, ist nun der arme Kellner Mario, den der Hypnotiseur willfährig macht und dem Gelächter des Publikums preisgibt. Und wie Cipolla sich aus sanfter Beredsamkeit zu markigen Reden steigert, in denen er nicht nur die legendäre Duse, sondern auch den Duce und dessen Marsch auf Rom feiert, das setzt Jürgen Lorenzen hinreißend um, unterstützt von suggestiver Lichtregie - bis hin zum Tanz auf dem Vulkan. Da Thomas Manns Erzählung schon 1930 erschienen ist, rückt Luisa Guarro das geschilderte, durch reale Erlebnisse inspirierte Ereignis in die Perspektive der Tochter, die sich nach der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte im Dezember 1948 erinnert. Somit fehlt es der Bühnenversion nicht an politischer Deutlichkeit. Sie bietet aber zugleich faszinierenden Theaterzauber. [theaterpur]
 

Intensives Schauspiel...

Hypnose auf dem Treppchen: „Mario und der Zauberer“ am WBT Die Bühnenfassung, die Luisa Guarro am Wolfgang-Borchert-Theater präsentiert, macht keine großen Experimente. Sie setzt ganz auf intensives Schauspiel und die Wucht des Textes. Ganz zum Schluss überspannt sie den Bogen allerdings etwas. Italienische Schlager scherbeln wie aus einem Grammophon. Kostüme und wenige Requisiten versetzen die Zuschauer sofort in die 1920er-Jahre. Luisa Guarros Inszenierung von Thomas Manns „Mario und der Zauberer“ gibt sich keine Mühe, den Stoff in die Gegenwart zu ziehen. Erst ganz am Ende tut sie das, aber dazu kommen wir noch. Das treppenförmige Bühnenbild, schreibt die Regisseurin im Programmheft, stellt die sozialen Klassen der italienischen Gesellschaft dar. Das öffnet den Raum für allerlei Subtilitäten, Figuren klettern, schreiten und schlittern hinauf und hinunter. Eine seltsame Krankheit greift um sich Aber worum geht es nochmal? Für alle, die wie der Verfasser dieser Zeilen auf der Schulbank zum Einnicken neigten, hier eine kurze Zusammenfassung: Eine Familie (Florian Bender, Rosana Cleve und Katharina Hannappel) fährt im Jahre 1926 zur Sommerfrische ins faschistische Italien. Bald treten Störgefühle auf, eine Krankheit scheint die Menschen dort befallen zu haben: wahnhafter Überlegenheitsglaube, befremdliche Schikane und Diskriminierung trüben das Urlaubsvergnügen. Nun denn, bald endet die Hauptsaison und das „bürgerliche Kroppzeug“ zieht sich allmählich aus dem Urlaubsort zurück. Dafür kommt der Zauber- und vor allem Hypnosekünstler Cipolla (Jürgen Lorenzen) und verdreht seinem Publikum gehörig den Kopf. Im Roman ein verwahrloster Scharlatan mit dämonischer Aura, in Luisa Guarros Inszenierung ein Showman mit herrlich unangenehmen Manierismen und bestechender Intensität. Mit fadenscheinigen Zahlen- und Kartentricks lullt er sein dümmliches Publikum (köstlich überdreht: Ivana Langmajer) ein. Seinen ungleich mächtigeren Hypnosetechniken haben auch die, die sich wehren, wenig entgegenzusetzen. Mann zeichnet mit dem Zauberer eine Parabel auf den Faschismus. Aber auch auf alles andere, was die Menschen dazu bringt, Willen, Moral und, sind wir ehrlich, eigene Interessen über Bord zu werfen, um stattdessen nach dem Peitschenknall einer charismatischen Führungsperson zu tanzen. Das dürfte einigen bekannt vorkommen, auch und gerade mit Blick auf die heutige Zeit. Damit es auch wirklich alle verstehen, spricht die Tochter (Hannappel) nach dem blutigen Ende der Zaubershow einen Monolog: 1949, sie ist erwachsen, hat den Krieg überlebt, die Schrecken des Holocaust noch lebendig vor Augen. Die UN haben die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verabschiedet, die das, was da passiert ist, verhindern soll. Der Monolog führt auch unmissverständlich in die Gegenwart, in der Menschen an Grenzen oder im Meer vor Italien sterben. So eine Einordnung ist in der Sache richtig und kann durchaus angebracht sein. Sie kann sich aber auch wie ein Vorkauen des Stoffes für das Publikum anfühlen. Etwas befremdlich wirkt es vor allem, weil sich die Inszenierung bisher ganz auf starkes Schauspiel und die Wucht des Textes verlassen hat. Was übrigens mit kräftigem Premierenapplaus belohnt wird. Dass der Faschismus nicht besiegt ist, wenn man einen Teufel einfach abknallt, muss man eine Schauspielerin nicht unbedingt sagen lassen. Dass die Figuren auch nach seinem Tod wie hypnotisiert weitertanzen, hätte gereicht. [Westfälische Nachrichten]
 

Eine großartige Arbeit von Luisa Guarro

«Mario und der Zauberer» ist der Beitrag des Wolfgang Borchert Theater in Münster zum 150. Geburtstag des Nobelpreisträgers Thomas Mann. Inszeniert hat das Stück als Gastregisseurin die Italienerin Luisa Guarro. Mit «Mario und der Zauberer» setzt sie ihre fantastische Arbeit für das WBT weiter fort. Es ist nach «Der König lacht», «Der Sandmann», «Don Quijote» und «Der Teufel und die Diva» die fünfte bemerkenswerte Produktion am Wolfgang Borchert Theater. Für die Reisenden aus Deutschland – Vater, Mutter und zwei Kinder (wunderbar unbedarft: Florian Bender, Rosana Cleve und Katharina Hannappel) – könnte der Sommer an der italienischen Küste so schön und erholsam sein. Genau davon haben sie geträumt: La dolce vita unter strahlendblauem Himmel am Mittelmeer. Die Sonne scheint und die Familie wünscht sich nichts mehr als ihren Urlaub am Strand und bei gutem Essen im Grand Hotel zu genießen. Doch sie treffen auf eine Atmosphäre, die unerwartet feindselig ist. Die mondäne italienische Gesellschaft will unter sich bleiben und betrachtet die Fremden aus dem Norden mit offenem Argwohn und unverhohlener Ablehnung. Auf der Terrasse des Hotels mit dem herrlichen Blick auf das Meer werden sie nicht bedient, sie müssen in die Tristesse des langweiligen Speisesaals ausweichen und als der Sohn durch den Husten einer längst abgeklungenen Erkältung auffällt, werden sie kurzerhand von dem arroganten Kellner (Niclas Kunder) aus der feudalen Herberge hinauskomplimentiert. Die Fremden haben in der feinen, italienischen Gesellschaft nichts zu suchen. Doch die Familie will sich nicht aus ihrem Traumurlaub vertreiben lassen, will nun erst recht bleiben. Man kommt nebenan in der Pension Eleonora unter und hofft in der beginnenden Nebensaison nicht mehr behelligt zu werden. Doch die Schikanen am Strand gehen weiter. Offen tritt ihnen der Nationalismus des faschistischen Italiens entgegen. Unvermittelt wird die beschwingte Schlagermusik von ein paar Schwarzhemden unterbrochen, die auf dem Marktplatz mit ausgestrecktem Arm ihren römischen Gruß zeigen, nationalistische Parolen deklamieren und ihre faschistische Hymne anstimmen. Am Strand erfahren sie weitere Feinseligkeiten, nachdem die neunjährige Tochter ein paar Schritte nackt zum Strand gelaufen ist. Kopfschüttelnd bezahlen sie die offenbar willkürlich angesetzte Strafe. Zum Höhepunkt des Urlaubs wird die Vorstellung des berüchtigten Magiers und Hypnotiseurs Cipolla (In einer Paraderolle und überaus faszinierend, ja geradezu magisch: Jürgen Lorenzen). Als ein junger Angeber frech und dreist den Künstler für sein Zuspätkommend angeht, wird dieser kurzerhand von ihm in eine kompromittierende Trance versetzt und muss in der Hypnose willenlos seine Zunge herausstrecken, was das Publikum geradezu köstlich amüsiert und dem jungen Mann eine unvergessliche Lektion erteilt. Dem Magier gelingt es, sein Publikum in seinen Bann zu schlagen. Ein paar Taschenspielertricks genügen, um das Publikum für eine große Hypnose und Massenhysterie vorzubereiten. Tatsächlich ist Cipolla ein Menschenfänger, der aus dem Publikum mit nur wenigen Suggestionen, einem Fingerschnipsen und einem Peitschenknall zu einer willfährigen Masse und schließlich sogar zu einem Tollhaus werden lässt. Die Zuschauer sind völlig enthemmt. Cipolla ist der geborene Führer und erinnert in seiner Überheblichkeit und Suggestionsfähigkeit unmittelbar an den Duce. Und dann ruft Cipolla den jungen unbedarften Mario (Florian Bender), den «Ritter der Serviette» auf die Bühne, um mit ihm seinen Schabernack zu treiben. Cipolla beginnt, ihn zu manipulieren, zu demütigen, ihn vor den Augen der Menge zu brechen. Er zwingt ihn, seine tiefsten Gefühle und seinen Liebeskummer zu offenbaren. Mario sieht auf dem Höhepunkt dieses Auftritts völlig willenlos in Cipolla seine Angebetete und küsst den Magier ganz versonnen und verliebt auf den Mund. Das Publikum rast. Als Mario aus seiner Trance erwacht, fühlt er sich bis auf die Knochen blamiert und wird von tiefer Scham überwältigt. Er weiß sich nicht anders zur Wehr zu setzen: Er greift zu einer Pistole und streckt den Magier auf offener Bühne nieder. Die Menge erstarrt. Ein Moment vollkommener Stille, in der die Maske des Zauberers endgültig zerbricht; wie in einer Zeitlupe stürzt dieser langsam die Treppe herunter und liegt schließlich als besiegter Tyrann am Boden. Der Zauber des Zauberers ist gebrochen. Das Publikum tanzt derweilen willenlos einen Totentanz… Einmal mehr überzeugt Luisa Guarro nicht nur als herausragende Regisseurin: Es ist ihre eigene Bearbeitung und Bühnenfassung der Novelle, die sie auf die Bühne bringt und darüber hinaus zeichnet sie als Ausstatterin auch für Kostüme und das Bühnenbild verantwortlich. Daraus ist eine großartige Arbeit aus einem Guss erwachsen, bei der sie voll und ganz auf ein Ensemble vertrauen kann, das ihre Vision engagiert und überzeugend auf die Bühne bringt. Wie schon so oft schlüpfen die Akteure in mehrere Rollen und hauchen ihren Figuren echtes Leben ein. Jürgen Lorenzen füllt die Rolle des Magiers und Hypnotiseurs derart eindringlich aus, dass ihm auch das münsteraner Theaterpublikum gebannt und geradezu atemlos an den Lippen hängt und es vermutlich nur einer weiteren Tranceinduktion bedürfte, dass die Zuschauer im Theatersaal ihm wie einem Cipolla komplett verfallen. Unübersehbar gibt Luisa Guarro mit ihrer Arbeit ein Statement und folgt damit der Parabel über Macht und Manipulation, wie sie Thomas Mann schon 1930 in seiner Novelle angelegt hat. Ahnungsvoll hatte der Nobelpreisträger drei Jahre vor der Machtübernahme in Deutschland in der Maske des Zauberers nicht nur Mussolini, sondern auch Adolf Hitler gesehen. Das Stück ist ganz offensichtlich ein Herzensprojekt der Regisseurin. Mit dem von ihr hinzugefügten Epilog spannt sie den Bogen der Ereignisse aus dem Jahr 1926 bis in unsere Tage. Mit der Bemerkung der Erzählerin «Das Fieber ist noch da» warnt sie vor dem neuerlichen Erstarken des Populismus, des Nationalismus und der Rechtsextremen in ganz Europa. «Mario und der Zauberer» nach der Novelle von Thomas Mann ist in der Bearbeitung von Luisa Guarro ein mitreißender Theaterabend und gerade mit seinen Anspielungen auf die aktuelle politische Entwicklung ein klares Bekenntnis und eine eindringliche Warnung. In ihrem Schlussmonolog erinnert die Tochter und Erzählerin (Katharina Hannappel) an die Deklaration der Allgemeinen Menschenrechte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der Überwindung des Faschismus. Das war ein großes Momentum und auch Vermächtnis, das aktuell immer häufiger verraten wird und verloren zu gehen droht. «Mario und der Zauberer» überzeugt damit auch als literarisch-politisches Theater. Sehenswert! [Westfalium]
 

Ein gruseliger, lehrreicher Abend über die Gefahren der totalitären Verführung

Parabel über die Macht der Manipulation bravourös gespielt Immer wieder lässt Cipolla (Jürgen Lorenzen) mit diabolischem Blick die Peitsche auf den Bühnenboden knallen. Der Magier gerät immer mehr in einen Rausch. Sein Ziel: Das Publikum bis hin zur Aufgabe seines Willens zu manipulieren. Das Wolfgang Borchert Theater in Münster nimmt sich im Thomas-Mann-Jahr dessen Novelle «Mario und der Zauberer» an. Das Ergebnis: ein gruseliger, lehrreicher Abend über die Gefahren der totalitären Verführung. In seiner Parabel von 1930 erinnert sich Thomas Mann, dessen 150. Geburtstag in diesem Jahr gefeiert wird, an einen Urlaub im italienischen Badeort Torre die Venere, in dem er und seine Familie zusehends mit einer nationalistischen und fremdenfeindlichen Stimmung konfrontiert werden. Höhepunkt der «Reiseerlebnisse»: der Besuch einer hypnotischen Zauberschau, die Mann als Metapher für den Faschismus nutzte. In ihr darf Lorenzen als verführerischer Cipolla alle Register der Überlegenheitsideologie ziehen. Und das tut er mit Bravour. Dabei kommt das 90-minütige Schauspiel unter der Regie von Luisa Guarro, selber Italienerin, schnell zur Sache. Kurz sind die Szenen gehalten, in denen das Ensemble, zeitgemäß gekleidet, als feine Gesellschaft über die Strandpromenade flaniert oder das deutsche Ehepaar (Florian Bender und Rosana Cleve) relativ gelassen manche Schikane über sich ergehen lässt. So muss es etwa das Zimmer im Grand Hotel räumen, weil das Husten ihrer Kinder die anderen Gäste stört. Dramatisch auf den Punkt inszeniert Luisa Guarro die Vorstellung Cipollas. Erst umschmeichelnd, dann mit aller Härte vollzieht er seine Verführungskunst, hypnotisiert seine Zuschauer und gibt sie der Lächerlichkeit preis. Herrlich naiv gibt sich dabei sein Publikum: Mit großen Augen, kichernd und bewundernd ob der Fähigkeiten des Magiers sitzen die Schauspieler aufgeregt auf den Treppen, die den gesamten Abend über das Bühnenbild ausmachen. Mit ihnen hat Cipolla leichtes Spiel. Lorenzen zieht irgendwann die Daumenschrauben an und steigert sich mit irre-teuflischem Blick in seine Rolle, so dass zumindest die Zuschauer im Borchert den Atem anhalten. Mario (Bender), der verliebte Kellner, ist es dann, der diesem Sog ein Ende bereitet. Katharina Hannappel als Tochter der Familie auch die Erzählerin im Stück, spricht zu Schluss warnende Worte – und mahnt hinsichtlich autoritärer Verführer den Blick auf Augenhöhe an, der den Zauber bricht. [Die Glocke]
 

Lorenzen füllt die Rolle des Hypnotiseurs aufs Vortreffslichste aus

Der Verführer Gruselig: «Mario und der Zauberer» am WBT Im Thomas-Mann-Jahr- 150. Geburtstag, 80. Todestag – kommt auch das Borchert Theater nicht an dem Nobelpreisträger vorbei und wählt mit der Novelle Mario und der Zauberer einen leider wieder brandaktuellen Text aus. Der ist inspiriert von einem Urlaub der Mann-Familie 1926 in der italienischen Versilia: Die Faschisten durchdringen schon weitgehend die Gesellschaft, Mussolini wurde 1922 Ministerpräsident, 1925 ernennt er sich zum Diktator, also lange vor Hitlers Machtergreifung. Die Post-Faschistin Giorgia Meloni ist nun auch schon seit drei Jahren italienische Ministerpräsidentin, da hoffen wir mal, dass sich die gruseligen Parallelen zu damals möglichst nicht in Gänze bestätigen. Spürbar ist in Text wie Stück das Überlegenheitsgefühl selbst der unteren Gesellschaftsschichten Italiens gegenüber Ausländern bis hin zum offenen Fremdenhass. Zur Verdeutlichung hat Regisseurin Luisa Guarro in ihrer fünften Produktion am WBT die Bühne, für die sie wie auch für die Kostüme ebenfalls verantwortlich zeichnet, als Gesellschafts-Pyramide gebaut, auf deren Ebenen die Figuren je nach Herkunft oder eigener Verortung agieren, etwa der Kellner und die ausländischen Urlauber. Erzählt wird die Geschichte nicht wie bei Thomas Mann vom «Kopf» der Familie, sondern von der Tochter (Katharina Hannappel) in der Rückschau, wobei diese nicht allzu deutlich auffällt. Verdeutlicht werden soll dennoch, dass man die Folgen des Faschismus in die Nachkriegsjahre und zur Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte schon im Blick hat. Letztere wiederum stehen heute mehr denn je auf dem Spiel. Das kurze Stück ohne Pause zerfällt deutlich in zwei Teile, wobei auch der zweite Teil von einer realen Begegnung der Mann-Familie inspiriert wurde, die im genannten Urlaub eine Darbietung des Zauberers und Hypnosekünstlers Cesare Gabrielli besuchte. Die von Thomas Mann überspitzt beschriebene Vorstellung nimmt den kompletten zweiten Teil ein und ist ein Abbild der Verführung der Massen (Zuschauer) durch einen demagogischen Führer (Hypnotiseur), der die Individualität der Einzelnen zugunsten einer Volksdisziplin bricht. Jürgen Lorenzen füllt die Rolle des Hypnotiseurs mit seiner kraftvollen Sprachmodulation, Mimik und Gestik aufs vortrefflichste aus, als Manipulator hat er nicht nur die Zuschauer auf der Bühne, sondern auch den Theatersaal fest im Griff. Was einem durchaus zu denken geben sollte… [ultimo]
 

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