Repertoire

MICHAEL KOHLHAAS

Heinrich von Kleist

Bühnenfassung von Tanja Weidner

Vorstellungsdauer | 1h35 | Keine Pause
Premiere A | Donnerstag, 11. Dezember 2025
Premiere B | Freitag, 12. Dezember 2025
Inszenierung Tanja Weidner
Bühne Kostüme Annette Wolf
Dramaturgie Laura Ritter
Besetzung Gregor Eckert

Ein Pferdehändler. Zwei Pferde. Ein Akt der Willkür – und plötzlich entfesselt sich eine Lawine der Gewalt. Was als Amtsmissbrauch beginnt, wird zum Albtraum: Michael Kohlhaas, rechtschaffener Bürger und ehrbarer Geschäftsmann, wird zum Spielball eines korrupten Systems. Als er Gerechtigkeit sucht, stößt er auf Mauern aus Arroganz, Vetternwirtschaft und Ignoranz. Je mehr sich die Türen der Justiz verschließen, desto weiter öffnet sich der Abgrund. Kohlhaas kämpft – erst mit Worten, dann mit Feuer. Und wird zum gefährlichsten Mann seiner Zeit.

Ein brisanter Kampf um Gerechtigkeit – und ein atemloser, sprachgewaltiger Ritt in den Abgrund.

Die Novelle von Heinrich von Kleist ist ein aufwühlender Politthriller über Machtmissbrauch, Ohnmacht und das tödliche Gefühl, im Recht zu sein. Was treibt einen anständigen Mann zur Selbstjustiz? Wo verläuft die Grenze zwischen berechtigtem Widerstand und fanatischer Gewalt? Und wer bleibt am Ende unversehrt, wenn einer beschließt, sich nicht länger beugen zu lassen? Ein Stück, das Fragen stellt, auf die es keine einfachen Antworten gibt

Fesselndes Ein-Mann-Stück

Was macht Ohnmacht mit einem Menschen? Und wie weit darf er in seiner Wut gehen? Der rechtschaffene Pferdehändler Michael Kohlhaas (Gregor Eckert) jedenfalls sieht nach erfahrener Ungerechtigkeit rot und verlässt sich auf gar nichts mehr, auch nicht auf seinen Verstand. Am Ende knüpft er ihn, das heißt: seinen (Silikon-)Kopf, auf der Bühne des Wolfgang Borchert Theaters auf. Heinrich von Kleist (1777-1811) nimmt in «Michael Kohlhaas», der unter der Regie von Tanja Weidner Premiere hatte, Recht und Gerechtigkeit, Behördenwillkür, Vertrauensverlust und seinen Folgen ins Visier: Im Mittelpunkt: Rosshändler Kohlhaas. Auf dem Weg nach Sachsen werden ihm auf Geheiß des Junkers Wenzel von Tronka zwei Pferde abgenommen, die er als Pfand für einen (erfundenen) Passierschein dalassen soll. Bei seiner Rückkehr findet er nur noch zwei durch harte Arbeit abgemagerte Tiere vor. Versuche, Recht zu bekommen, scheitern – und Kohlhaas nimmt böse Rache. Eineinhalb Stunden lang steht Schauspieler Eckert für die Geschichte gerade – und das mit Bravour. Er übernimmt das Erzählen ebenso wie alle Figuren, die in ihrem Fortgang eine Rolle spielen, hebt oder senkt seine Stimme, sächselt oder wirft sich als die eine Person auf die Bühne, um als die andere wieder aufzuspringen. Vor allem aber ist er sehr sportlich auf und zwischen den riesigen Leitern auf der Bühne unterwegs, die sich wie ein Behördendschungel ineinander verkeilt zu haben scheinen. Eckert mimt Ehefrau Lisbeth mit Nähzeug in der Hand ebenso wie den Kurfürsten oder Martin Luther mit großer Geste. Unterstützt wird er nur durch Anmerkungen aus dem Off, Hintergrundchoräle oder Trommelschläge, die für noch mehr Dramatik in der ohnehin düsteren Aufführung sorgen. Ein Mammutprojekt für Eckert, dessen temporeiche Dialoge aber auch zur Folge haben, dass sie manchmal schwer zu verstehen sind. Andererseits: Er spielt einen Getriebenen, der nach der Klage, die er beim Kurfürsten von Sachsen einreicht, und weiteren Fehlversuchen, sich Gehör zu verschaffen, einfach durchdreht. Am Ende führt er einen blutigen Feldzug gegen Gott und die Welt – auf einem Bühnenboden aus Theaterasche mit rotem Grund. Kohlhaas‘ Geschichte bleibt im Borchert Theater in ihrer Zeit – auch wenn fehlendes Vertrauen in den Staat und das Auflösen gesellschaftlicher Regeln aktuelle Bezüge haben. [Die Glocke]
 

Spektakuläres Mono-Drama

Ein Berserker der Gerechtigkeit Heinrich von Kleists »Michael Kohlhaas« als Monodrama im Borchert-Theater Es ist ein spektakulärer Kriegszug: Lichteffekte und Explosionsgeräusche suggerieren die Schlacht, bei der eine Burg überfallen und eine Stadt in Brand gesetzt werden, und der stattliche Mann mit dem großen Schwert wütet als echter Berserker durch die Szene. Michael Kohlhaas heißt der Heerführer; ihn bewegt ein Motiv, das angesichts seines furchterregenden Vorgehens nur schwer nachzuvollziehen ist: der Wunsch nach Gerechtigkeit. Heinrich von Kleists berühmte Erzählung über den Rosshändler, den erlittenes Unrecht in den Wahn treibt, kommt im Wolfgang-Borchert-Theater als spektakuläres, wuchtiges Monodrama auf die Bühne. Intendantin Tanja Weidner hat eine Fassung erarbeitet, die den Erzählfluss des Textes über die eingearbeiteten Reden hinaus vielfach in Dialoge überführt. So gibt es gerade zu Beginn noch kleine Erzählpassagen aus dem Off, während Schauspieler Gregor Eckert die Kohlhaas-Erlebnisse in der Ich-Form schildert, aber auch immer wieder in die Rollen der Mit- und Gegenspieler schlüpft – bisweilen in fliegendem Wechsel, etwa wenn Martin Luther mit dem Protagonisten debattiert. Für Tanja Weidners Inszenierung hat Annette Wolf ein Bühnenbild gebaut, das ein Ensemble metallener Leitern beherrscht. Auf und unter ihnen klettert Eckert artistisch umher wie der Held, dem kein Widerstand zu groß ist, um sein Ziel zu erreichen. Er will ja nur die schönen Pferde zurückhaben, die ihm durch obrigkeitliche Willkür abhanden kamen. Doch da auch sein Knecht misshandelt wurde und seine Frau dem Versuch, auf legalem Weg Recht zu bekommen, zum Opfer fiel, wandelt Kohlhaas sich zum Rächer in eigener Sache. Sein Handeln ruft sogar Nachfolger auf den Plan, denen das ursprüngliche Gerechtigkeitsmotiv völlig fremd ist. Der Wandel zum rücksichtslosen Ausufern der Selbstermächtigung steht im Zentrum der Inszenierung. Gregor Eckert vollzieht ihn mit größter Vehemenz. Was er an Text in der gut eineinhalbstündigen Fassung schultert, ist mehr als imposant: Nie hat man den Eindruck, sein Spiel könnte an Spannung nachlassen. Mit atemberaubendem, fast schmerzhaftem, stimmlichen Druck agiert er, forciert auch das Tempo, so dass er in der Premiere ein gutes Stück eher fertig ist, als das Programmheft angibt. Für humoristische Spitzen sorgen die Einsprengsel sächselnder Hofschranzen oder knarzender Büttel. Die Hintergrundmusiken etwa von Arvo Pärt, wechselnde Lichtstimmung oder schwarze Flocken auf rotem Grund mit Feuerglut-Assoziationen sind geeignet, auch mal jene Traumsphären anzudeuten, auf die Tanja Weidner und Dramaturgin Laura Ritter in ihrer Kleist-Lesart Wert legen. Dominierend an diesem begeistert aufgenommenen Abend ist die Wucht einer Geschichte, deren gesellschaftspolitische Anknüpfungspunkte sie so aktuell machen. [Westfälische Nachrichten]
 

Eckert macht den Abend zum Ereignis

Die Rosstäuscher Leitern beherrschen die Bühne. Hoch ragen sie hinauf. So hoch, dass sie endlos scheinen. Teilweise sind sie ineinander verschränkt, eine bildet eine Brücke zur nächsten, andere sind von den Nachbarn nicht zu erreichen. Gedankengänge eines Gehirns oder Beziehungsdickicht einer Gesellschaft? Tanja Weidner stellt zunächst aber eine andere Frage: Wie wird aus einem gottesgläubigen und gesetzestreuen Mann ein Brandstifter und Mörder? In ihrer Bühnenfassung von Heinrich von Kleists Michael Kohlhaas geht sie dieser Frage auf den Grund. Und erzählt die Geschichte des Pferdehändlers, dem ein adliger Junker seine Ware - die Pferde - beschlagnahmt und diesedann zugrunde richtet. Kohlhaas will nur Gerechtigkeit, sucht sein Heil vor Gericht und gerät letztlich in einen Strudel von Machenschaften, Intrigen oder nur krassen Fehleinschätzungen, dass sein Fall Wellen in höchsten Adels- und Kirchenkreisen schlägt. Kohlhaas mordet und brandschatzt schließlich in blinder Wut, wird wieder getäuscht und als Bauernopfer hingerichtet, um Frieden zwischen Kurfürsten und Kaiser zu stiften. Weidner arbeitet in ihrer Fassung all' die kleinen gesellschaftlichen Rädchen und Mechanismen, in denen die Ursachen für Kohlhaas' Verhalten liegen, heraus. Transportiert werden sie aber durch Gregor Eckert, der nicht nur der Pferdehändler ist, sondern auch alle anderen Menschen spielt. Und das macht er einfach großartig. Durch Bewegungen einer unsichtbaren Nähnadel entsteht Kohlhaas' Frau, näselnde Sprachmodulation führt Hofschranzen vor Auge und Ohr. Gewaltig, keinen Widerspruch duldend, predigt Martin Luther. Scheinbar sanft, elegisch und dennoch sehr machtbewusst erscheint der Kurfürst von Sachsen… Viele Stimmen in Kohlhaas' Ohren, die ihn langsam, aber sicher zerstören. Immer zweifelnder und verzweifelter wird Eckert. Dabei hatte die Titelfigur zu Beginn doch so in sich geruht. Doch nicht nur im Kopf des Pferdehändlers rattert es. In den spannenden neunzig Minuten beginnt auch dem Publikum die ungeheure Aktualität von Kleists Novelle klar und klarer zu werden. Auch bei uns verzögern sich Urteile, bleiben Anträge jahrelang im Behördendschungel stecken. Und es suchen sich Machtstrebende und Demagog:innen Opfer, schüren Demokratiefeindlichkeit. Ist es da so unmöglich, dass Geschundene sich wieder ein Messer greifen oder einen LKW stehlen und Unschuldige massakrieren? Was ist so anders als bei Kohlhaas? Nicht nur für diese klare Botschaft wird das Regieteam gefeiert und vor allem Gregor Eckert, der mit voller Kraft und ohne »doppelten Boden« agiert und den Abend zum Ereignis macht. [theater:pur]
 

Termine & Karten

Februar

DO
19.
20:00

Februar