Duncan Macmillan mit Jonny Donahoe
ALL DAS SCHÖNE
Deutsch von Corinna Brocher
Premiere | 11. Oktober 2024 | WBT_FOYER
Vorstellungsdauer | 1h 15min. | Keine Pause
© Laura Ritter
1. Eiscreme. 2. Wasserschlachten. 3. Länger aufbleiben dürfen als sonst und fernsehen. So beginnt die Liste eines siebenjährigen Jungen mit allem, was das Leben lebenswert macht. Grund für die frühe Auseinandersetzung – der erste Suizidversuch seiner Mutter. Der Junge wird älter, die Liste länger. 26. Ins Meer pinkeln und keiner merkt’s. 320. Sich nach einem Streit wieder vertragen. 123321. Palindrome. Nicht nur dem Autor soll die Liste helfen, sondern auch der Mutter, die mit Depressionen kämpft, und dem Vater, der nicht weiß, wie er mit seinem Schmerz umgehen soll. Als der junge Mann ein Studium beginnt und sich zum ersten Mal verliebt, fügt er hinzu: 517. Mit jemandem so vertraut sein, dass man ihn nachgucken lässt, ob man Petersilien-Reste zwischen den Zähnen hat.
Der britische Dramatiker und Regisseur Duncan Macmillan (Atmen) hat einen lebensbejahenden und komischen Monolog über das todernste Thema Depression geschrieben. Unter Einbindung des Publikums verwandelt Macmillan mit leichter Hand angebliche Schreckgespenster in Glücksfälle (The New York Times) und findet das perfekte Gleichgewicht zwischen dem, was einen am Leben verzweifeln lässt, und dem, was es so wunderbar macht (The Independent).
Inszenierung | Katinka Kratzert
Bühne_Kostüm | Elke König
Dramaturgie | Laura Ritter, Tanja Weidner
Besetzung | Florian Bender
Trailer
Pressestimmen
„All das Schöne“, das Einpersonenstück des Briten Duncan Macmillian (Mitwirkung des Comedian Jonny Donahoe) hatte gerade im Wolfgang Borchert Theater Münster seine Premiere. Florian Bender wurde für seine einfühlsame, sensible und in jeder Sekunde berührende Darstellung eines jungen Mannes gefeiert und bejubelt. Seine Leidenschaft als Schauspieler springt unmittelbar auf Zuschauerinnen und Zuschauer über. Florian Bender schlüpft nicht einfach in eine Rolle – er verwandelt sich in seinen Protagonisten mit jeder Faser. Wirklich bewegend!
Das Publikum wurde an diesem Abend von ihm durch ein Tauchbad der Gefühle geschickt. Das Stück besitzt viele umwerfend komische und unterhaltsame Momente, berührt aber auch Gefühle und Gedanken, die einen nicht nur mitfühlen lassen, sondern vor Rührung die Tränen in die Augen treiben.
Es gab für “All das Schöne” langanhaltenden Applaus. Dabei behandelt der kaum mehr als eine Stunde und 15 Minuten dauernde Monolog kein ganz einfaches Thema. Das Stück beschäftigt sich auf außergewöhnliche Weise mit schwierigen Themen wie Depression sowie Suizid und erinnert zugleich an die unzähligen kleinen Freuden, die einem das Leben erst lebenswert machen.
Nach dem Theaterabend erwischt man sich dabei, wie man selber im Kopf eine solche Liste anlegt und überlegt sich, was für einen selber unbedingt darauf gehört. Tatsächlich gibt kaum jemanden, der nicht irgendwann von unerhörtem Grübeln, bohrenden Selbstzweifeln, schmerzender Einsamkeit und dem Leiden an einer tiefen Depression erwischt wird.
„Erstens: Eiscreme. Zweitens: Wasserschlachten. Drittens: Länger aufbleiben dürfen als sonst und fernsehen.“ So beginnt die Liste des siebenjährigen Jungen mit allem, was das Leben lebenswert macht. Grund für diese ungewöhnlich Sammlung ist der erste Suizidversuch seiner Mutter. Der Junge möchte seiner Mutter Gründe nennen, die das Leben lebenswert machen. Die Liste ist eine tolle Idee, die am Ende ihm selbst aber mehr nutzt als seiner Mutter.
Der Junge wird älter, die Liste mit der Zeit länger.“ 26. Ins Meer pinkeln und keiner merkt’s. 320. Sich nach einem Streit wieder vertragen. 123321. Palindrome.“ Immer wieder beschäftigt sich der Junge mit seinen Glücksmomenten und ergänzt sie – handschriftlich auf immer neuen Zetteln, Blättern und schließlich gar auf einer langen Tapetenbahn.
Als der junge Mann ein Studium beginnt und sich zum ersten Mal verliebt, fügt er hinzu: „517. Mit jemandem so vertraut sein, dass man ihn nachgucken lässt, ob man Brokkoli-Reste zwischen den Zähnen hat.“ Tatsächlich kann er mit seiner Liste die selbstzerstörerische Depression seiner Mutter nicht heilen. Eines Tages ist sie tot und er bemerkt, wie er selber zusehends seltsamer und von seinem Zweifeln am Leben ergriffen wird. Er und seine Frau trennen sich, weil sie sich ohne es bemerkt zu haben auseinandergelebt haben. Seine Liste wird länger und länger, weil er sich selber damit am Leben erhalten will. Es gibt eine Millionen Gründe am Leben zu bleiben. „Es wird besser. Nicht unbedingt immer absolut schön. Aber besser.“ Die wichtigste Erkenntnis, die er am Ende sich und dem Publikum mit auf den Weg gibt: „Es einfach nicht zu tun!“ Das macht Mut.
Publikumsnähe ist das entscheidende Moment der von Katinka Kratzer als Regisseurin umgesetzten Inszenierung. Übrigens ist es ihre erste Regiearbeit, die ihr mit Bravour gelungen ist. Sie lässt „All das Schöne“ im Foyer des Theaters spielen, was eine große Nähe schafft, ja beinahe die Intimität eines Wohnzimmers erweckt. Florian Bender kann immer wieder von der Bühne direkt ins Publikum steigen und unmittelbar mit einzelnen Zuschauern sprechen und sie charmant in das Geschehen einbeziehen. Darüber hinaus übernehmen viele auch die kleine Aufgabe bei Nennung einer Ziffer einen Glücksmoment von einem Zettel laut ins Publikum zu rufen.
Florian Bender gelingt dieser Kunstgriff wundervoll und sehr einfühlsam. Mit sanfter Überzeugungskraft, mit kleinen Regieanweisungen und sowie seinen soufflierten Textvorgaben verwandelt er einige der Zuschauerinnen und Zuschauer für einige Momente oder ein paar Minuten in Mitspieler und macht aus ihnen mal seinen Vater, den Tierarzt oder seine Freundin und spätere Ehefrau. Das klappt so mühelos, dass man auf die Idee kommen könnte, dass alles vorher abgesprochen worden ist – was es tatsächlich nicht ist. Diese wundervollen Interaktionen erzeugen eine große Intensität und das ganz ohne, dass jemand lächerlich gemacht würde. Am Ende gibt es auch für sie einen starken Applaus.
Bender verkörpert die Hauptfigur auf seinem Lebensweg vom Kind bis zum Mann mit einer bemerkenswerten Mischung aus Verletzlichkeit und Humor. Vom ersten Moment an schafft er es mit Authentizität Publikum in seine Welt hineinzuziehen, und macht die Geschichte seines Charakters zu etwas Greifbarem. Seine Darstellung ist so glaubwürdig, dass man als Zuschauer schnell vergisst, dass man in einem Theater sitzt. Es fühlt sich eher so an, als wäre man Teil des Lebens dieser Figur, mitten in ihrem Ringen um Hoffnung und Lebensfreude.
„All das Schöne“ ist ein Stück, dem man möglichst viele Aufführungen und viele Zuschauer wünscht. Es geht ans Herz, macht Mut und regt an, sich mit einem todernsten Thema und einer immer mehr um sich greifenden Krankheit auseinanderzusetzen. Großartig! [Westfalium]
Welch berührender Abend. Gut dass das Stück „All das Schöne“ (von Duncan Macmillan mit Jonny Donahoe) im Foyer des Wolfgang-Borchert-Theaters gespielt wird. Das ist genau der passende Ort für die Aktion und Interaktion von Florian Benders Monolog als „Mann“. Am Freitag war Premiere. Regisseurin Katinka Kratzert hat mit Elke König (Bühne, Kostüm), Laura Ritter (Dramaturgie) und Stephanie Rave (Gesang) eine Inszenierung kreiert, der es gelingt, unterhaltsam und gleichzeitig ergreifend die Krankheit Depression und das, was sie bei Angehörigen auslösen kann, darzustellen.
Ein Siebenjähriger wird das erste Mal durch den Verlust seines Hundes mit dem Tod konfrontiert. Es folgt ein Selbstmordversuch seiner depressiven Mutter. Der Vater ist recht sprachlos, der Sohn findet in der Schulpsychologin einer Gesprächspartnerin, doch vor allem ein Ventil durch eine Liste, auf der er notiert, was sein Leben lebenswert macht. Der Protagonist erzählt rückblickend von Kindheit, Jugend, Studium, Erwachsensein. Und immer wieder fragt er sich in kritischen Situationen: sich wehren, weglaufen oder stillstehen? Seine Gefühle reichen von Ratlosigkeit bis Wut. „Glücklichsein macht mir Angst“.
Seine Liste der schönen Dinge wächst und zieht sich ein roter Faden durch das Stück. Bender spielt so lebendig und energiegeladen, dass er Standing Ovations und Bravo-Rufe erntete. Er erzählte, sang, musizierte, improvisierte und lud sein Publikum zum Mitspielen ein, liebevoll, sanft führend, dass sich ihm keiner verweigerte: ob in der Rolle als Tierarzt oder Hochschuldozentin, Schulpsychologin oder älteres Paar, Geliebte oder Vater.
Es blieb stimmig von Beginn bis zum Ende. Bender vermittelte Gefühle authentisch und berührend. Es wurde ein Theatererlebnis, mitreißend und aufrüttelnd, zum Lachen komisch, mit viel Musik und sehr stillen Augenblicken, nachhaltig nachdenkenswert. „Das Stück ist ein Geschenk“, meinte Bender anschließend im Gespräch. Und er beschenkte sein Publikum mit einem außergewöhnlichen und intensiven Theaterabend. [Westfälische Nachrichten]
Eiscreme, Achterbahnfahren, länger aufbleiben dürfen – es sind die kleinen Dinge, die das Leben lebenswert machen. Das versucht der Siebenjährige (Florian Bender) seiner depressiven, suizidgefährdeten Mutter klarzumachen. „All das Schöne“ – so lautet auch der Titel des neuen Stücks im Wolfgang Borchert Theater – fasst er in einer langen Liste zusammen. Die hilft zwar nicht ihr, aber ihm.
Der britische Autor Duncan Macmillan hat den Monolog, der 2013 uraufgeführt wurde und am Donnerstagabend in Münster Premiere hatte, geschrieben und sich den Komiker Jonny Donahoe und dessen Improvisationskünste an die Seite geholt. Fürs Borchert bedeutet das: Florian Bender läuft, springt und tanzt mit den schwierigen Themen „Depressionen“ und „Suizid“ leichtfüßig durch das Foyer und nimmt ihnen somit teilweise ihren Schrecken. Er verteilt auch Glücksmomente mit Zahlen an den Tischen, vor allem aber erlaubt er sich immer wieder beherzte Griffe ins Publikum.
Während man noch überlegt, wann man wohl selbst dran ist, spielt ein Zuschauer bereits den Tierarzt, der den Jungen zum ersten Mal mit dem Tod konfrontiert, indem er seinen Hund (mit einem Kuli als Spritze) einschläfert. Ein weiterer darf den Vater des Siebenjährigen mimen. Der versinkt nach einem Selbstmordversuch seiner Frau in tiefes Schweigen und ist seinem Sohn so gar keine Hilfe. Den „Angriff“ aufs Publikum bewerkstelligt Bender sehr sensibel, fast liebevoll animiert er es mitzumachen – wobei davon auszugehen ist, dass jede Vorstellung anders abläuft.
„All das Schöne“ in der (ersten Borchert-) Inszenierung von Katinka Kratzert pendelt zwischen Ernsthaftigkeit und Leichtigkeit, Verletzlichkeit und Witz, zwischen der Erkenntnis, dass sich Kinder von Selbstmördern eigenes Versagen vorwerfen, und der, wie herrlich es sein müsste, sich im Meer zu erleichtern, und keiner merkt`s.
Die Gründe warum das Leben lebenswert ist, kritzelt Bender – mittlerweile erwachsener Mann mit (Publikums-)Freundin, deren eigentliche Begleitung erstmal an den Nebentisch verfrachtet wird – auf Zettel, Tortenspitze und Tapete. Berührende Momente produziert er, wenn er Angst bekommt, dass er denselben Weg wie seine Mutter gehen könnte. Aber die sind schnell vorbei. Die Liste hat ja schon die Millionen-Marke erreicht und das Publikum ist ja auch noch da. Bei dem bedankt sich Bender am Ende mit schöner Geste. [Die Glocke]
Was macht man als kleiner Junge, wenn die Mutter an Depressionen erkrankt, Suizidversuche unternimmt und zudem der Hund als aller bester Freund und Gefährte eingeschläfert werden muss, während der Vater als notorischer Schweiger kein tröstendes Wort findet. Oha, das hört sich nach harter Theaterkost an, wird aber im Solo-Stück All das Schöne von Duncan Macmillan (Inszenierung: Katinka Kratzert) derart warmherzig und auch heiter dargebracht, dass die Zeit wie im Flug vergeht und man später überraschend froh gestimmt das Theaterfoyer verlassen wird.
Die Thematik des Stücks ist existentiell: Das Leben ist vergänglich, irgendwann müssen wir alle sterben, aber nicht früher als nötig durch eigene Hand. Angesichts dieser Gewissheit findet der Junge eine Lösung, mit der Situation umzugehen: Er beginnt eine Liste zu schreiben, was alles schön ist am Leben, vom Schoko-Eis bis zum Sonnenschein. Diese Liste legt er seiner depressiven Mutter aufs Kopfkissen, damit sie gesund wird. Doch Mutter markiert nur Rechtschreibfehler… Hier wird erkennbar, dass man einer Depression meist hilflos gegenübersteht, und auch Medikamente die Krankheit nur mehr oder weniger in Schach halten können.
Auffälligerweise kommt die Mutter im Stück gar nicht so häufig vor, wie zunächst angenommen. Ihre wiederkehrenden Suizidversuche und der final ,,geglückte“ Tod spielen sich im Hintergrund ab. Der Lebensweg des Jungen zum Studenten und schließlich verheirateten Mann ist entscheidend, als Sohn hat er genetisch zumindest auch eine Anlage zur Depression, aber er hat auch seine ganz eigene ,, Medizin“: Die Liste, die immer weiter und weiter wächst, zwischendurch auch mal in Vergessenheit gerät und sogar fast auf dem Müll landet, ihn aber bis zum Ende des Stücks (aber nicht seines Lebens) begleitet.
Das Stück hätte im richtigen Saal nicht die Chance, so zu funktionieren, wie es im Foyer des WBT mit locker gruppierten Tischen möglich ist. Florian Bender als der Junge und der Mann streift immer wieder durchs Publikum, ist nahbar. Plötzlich spricht er meinen Nachbarn an, er sähe aus wie ein Tierarzt, ob er nicht eben den Tierarzt spielen könne. Und schwupp, ist ein Teil des Publikums ein Teil des Spiels.
Neben der Liste der schönen Dinge sorgt Soul Musik für warme Atmo, von Curtis Mayfield über Ray Charles bis Dexys Midnight Runners. Durch die Songs kommuniziert sogar der schweigsame Vater indirekt mit dem Jungen. Und die wenigen glücklichen Momente der Mutter sind auch mit Musik verknüpft. Zu Mayfields,, Move on up“ hüpft Bender als junger, verliebter Mann durchs Publikum und klatscht Leute ab. Musik und Interpreten sind wichtiger Bestandteil seiner Liste, sie endet (vorerst) mit einer Schallplatte. Für die Fortsetzung der Liste sorgt ihr jetzt am besten selber! [ultimo]