Fred Breinersdorfer | Katja Röder
DER TEUFEL UND DIE DIVA
Mit Musik von Hildegard Knef
Premiere | Donnerstag, 07. November 2024
Vorstellungsdauer | 2h | Eine Pause
© Laura Ritter
Sie war eine der letzten großen Diven, als Schauspielerin am Broadway gefeiert, als Bestsellerautorin international anerkannt, als Sängerin umjubelt: Heute Morgen ist Hildegard Knef verstorben. Die Ikone selbst erfährt die Schreckensmeldung aus dem Radio. Eigentlich ging es ihr eben doch noch ganz gut? Nun harrt sie aus in einer düsteren Zwischenwelt, während der Geist, der stets verneint, die Künstlerin mit unangenehmen Fragen konfrontiert. Schon als sie im Film Die Sünderin eine Prostituierte spielte, wurde Deutschlands liebstes Trümmermädchen zur persona non grata. Was ist von ihrem Mythos geblieben? Was bleibt nach dem Tod? Die Lust auf eine Zigarette, natürlich. Und ein letzter Tanz mit dem Teufel . . .
Im Spannungsfeld zwischen Bewunderung und Ablehnung wird Die Knef als widersprüchlicher und facettenreicher Charakter mit ihren Liedern lebendig. 2025 wäre Hilde 100 Jahre geworden und zu diesem Geburtstag soll’s für Hilde rote Rosen regnen.
Inszenierung_Bühne_Kostüme | Luisa Guarro
Musikalische Leitung | Stephanie Rave
Light-Design | Paco Summonte
„Der Teufel und die Diva“, heißt die neue Produktion am Wolfgang Borchert Theater in Münster. Sie hatte in der vergangenen Woche ihre gefeierte Premiere.
Das Stück aus der Feder von Fred Breinersdorfer und Katja Röder ist eine musikalische Hommage an die legendäre Hildegard Knef, die zeitlebens wegen ihres exzentrischen, exaltierten und skandalträchtigen Lebens verehrt und verachtet, abgelehnt und gefeiert wurde. Die „Hilde“ war ein Weltstar, die letzte große Diva in Deutschland – geliebt, gehasst und bis heute bewundert.
Die Zuschauer verfolgen in „Der Teufel und die Diva“ das schillernde Leben und die bewegte Karriere der Knef über einige ihrer schönsten und gefühlvollsten Chansons sowie zahlreiche biographische Details, die äußert geschickt in das klug angelegte Stück eingewoben sind.
Im Mittelpunkt der Revue „Der Teufel und Diva“ steht die Lebensbilanz der Knef, die es als erste Deutsche an den Broadway geschafft hat. Dass sie auch als Schauspielerin und Bestsellerautorin weltweit gefeiert wurde, wird in der biographischen Rückschau nachvollziehbar. Die Knef war tatsächlich ein Multitalent.
Jäh in die Öffentlichkeit gezerrt wurde sie durch den Skandal um den deutschen Film „Die Sünderin“ (1951). Eine aus heutiger Perspektive eher harmlose Nacktszene beherrschte monatelang die Klatschspalten der Illustrierten im prüden Nachkriegsdeutschland. Wegen angeblicher Glorifizierung von Prostitution, Sterbehilfe, Euthanasie und Suizids wurde sogar ein Verbot des Films erwogen.
Der Schauspielerin hat dieser öffentliche Aufstand letztlich genutzt, nicht nur, dass sich damit das Bild der jungen, attraktiven Darstellerin ins öffentliche Bewusstsein gebrannt hat, sondern auch weil sich die Knef danach als selbstbestimmte, freiheitsliebende Frau stilisieren konnte, die in der Öffentlichkeit stand und für ihre Anerkennung kämpfte. 2025 wäre Hildegard Knef 100 Jahre geworden; ein guter Anlass bereits heuer – im 99. Jahr – ihr Leben einmal Revue passieren zu lassen.
Mit Sphärenklängen wie aus einer anderen Welt wird der Zuschauer in ein ganz in Weiß getunktes Zwischenreich entrückt. Dort wacht „Hildchen“ auf und kann endlich einmal wieder tief durchatmen. Zwischen weißen Koffern, Kisten und Kästen voller Erinnerungen wandert sie im langen, weißen Seiden-Negligee hin und her und wünscht sich nichts sehnlicher als endlich einmal wieder eine Zigarette zu rauchen. Es erscheint ihr wie eine Befreiung. Vergessen ist der Brustkrebs, der ihr bis zuletzt das Leben so schwer gemacht hat. Endlich wieder rauchen, die Erstickungsanfälle sind wie weggeblasen.
Doch in ihrem euphorischen Taumel wird „Hildchen“ jäh ausgebremst und darauf gestoßen, dass sie gerade eben gestorben ist. Eine Radiostimme aus dem Off verliest die erschreckende Meldung. Und der junge Mann, auf den sie in diesem mysteriösen Zwischenreich triff, gibt sich als der Teufel daselbst zu erkennen. „Ich bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft“.
Der Teufel umwirbt die Diva und versucht ihr ein Leben in der Hölle schmackhaft zu machen. Sie hat die Wahl, in den Aufzug nach oben in den Himmel zu steigen, dort „wo es allerdings sterbenslangweilig ist“ oder hinab in die Hölle zu fahren, wo sie alle Freiheiten genießen, aus vollen Zügen ihrer Lust frönen kann und dabei ihresgleichen trifft. Für den ewigen Ruhm soll sie ihre Seele verkaufen.
Der Teufel hält ihr einen Vertrag unter die Nase, den sie nur zu unterschreiben braucht. „Es ist ein Standardvertrag“, erklärt Mephisto. Ihn haben schon viele ihrer Kolleginnen und Kollegen mit dem Teufel geschlossen. Alles ist in der Unterwelt bereits für die „Hilde“ vorbereitet. Dauernde Anerkennung, Bewunderung und Applaus sind ihr gewiss. „Der Teufel und die Diva“ spielt mit dieser bizarren Vorstellung von einem Reich zwischen Himmel und Hölle und spannt den Bogen bis hin zu einer Entscheidung, die die Diva am Ende tatsächlich fällt.
Der Teufel stellt die Diva zur Rede, zählt Höhen und Tiefen auf, bringt die Knef dazu sich zu erklären und zu rechtfertigen. Es ist wie eine Lebensbeichte, die darin gipfelt, dass sie für ihr Publikum, ihre zahllosen Männer und Liebschaften und auch für ihr Kind immer das Beste gewollt und getan hat. Sie hat ihnen alle ihre Liebe geschenkt.
Verkörpert wird die vielschichtige Rolle der „Hilde“ von Ivana Langmajer, aus dem Ensemble, die herausragend und nuanciert spielt – mal feinsinnig und gebrochen, mal selbstbewusst und stark – aber auch als Sängerin mit überzeugender Stimme brilliert. Ivana Langmajer macht erst gar nicht den Versuch, das besondere, rauchige Tembre der Knef nachzuahmen oder zu imitieren, sie entwickelt ihre ganz eigene und in jeder Phrase stimmige Interpretation. Musikalisch begleitet wird sie von der Pianistin Stephanie Rave, die auf der Bühne spielt. Sie erweckt die bekannten Knef-Chansons wie „Eins und Eins, das macht zwei“, „Ich brauch Tapetenwechsel“ und „Für mich soll’s rote Rosen regnen“ als musikalische Leiterin zum Leben.
Für Ivana Langmajer hat Stephanie Rave die Kompositionen von der Tonlage her angepasst. Als Virtuosin macht sie komplett vergessen, dass kein großes Orchester und keine Big Band auf der Bühne stehen, sondern nur ein Klavier, das unter ihren Fingern beinahe so voluminös erklingt wie ein ganzes Orchester.
Niclas Kunder schlüpft in die Rolle des Mephisto. Er ist zugleich jugendlicher Verführer, der die Knef zum Vertrag überreden möchte als auch der raffiniert, spitzbübisch und diabolisch agierende Teufel. Auch Kunder genießt alle Nuancen des vielschichtig angelegten Charakters. Er ist in jeder Hinsicht elektrisierend, wenn er gegenüber der Knef argumentiert und dabei über all die Kisten und Kästen turnt.
„Der Teufel und die Diva“ ist Luisa Guarros vierte Inszenierung am WBT. Wie in „Der Sandmann“ (Monica-Bleibtreu-Preis 2022) und zuletzt mit „Don Quijote“ (2023) begibt sich die ambitionierte Regisseurin aus Neapel in den Zwiespalt der zwei Seelen der Hildegard Knef: „In der Hölle, in die Mephisto sie entführen will, schützt kein höheres Wesen den Menschen vor der verführerischen Möglichkeit, alles zu tun, was er sich wünscht, und genau dies entfesselt böse Kräfte. Auch Hilde schöpfte mutig all jene Leidenschaften aus, die aufwühlend und potenziell zerstörerisch sind. Die Alternative zur Hölle, das Paradies, ist ein Nirwana – ein Zustand der Gnade, wie ihn östliche Philosophien anstreben – in dem man von Leidenschaften, Wünschen und Abhängigkeiten befreit ist. Doch wer ist Hildegard Knef – und welchen Weg wird sie wählen?“ Bis zur letzten Minute hält Guarro die Spannung aufrecht.
In der Inszenierung von Luisa Guarro wird die Knef zu einer feministischen Vorreiterin, die schonungslos direkt und gnadenlos offen sein konnte, die sich selbstbewusst und streitbar, anarchisch und lebenshungrig immer im Mittelpunkt sah und radikal ihr eigenes Leben gelebt hat. „Ich will alles oder nichts!“
Der zweite Teil des Abends entfaltet eine mitreißende Dynamik, die sich unmittelbar auf den Zuschauer überträgt. Wenn es für die Diva am Schluss die bereits langersehnten „Roten Rosen“ regnet, wird man weniger rührselig und melancholisch, denn beflügelt und ermutig aus dem Theater treten. Luisa Guarro gelingt es mit ihrer Inszenierung die Zuschauer zu bewegen und in ihrer Zuversicht zu ermutigen, dass es für jeden unter ihnen rote Rosen regnen sollte. Mitreißend und teuflisch gut! [Westfalium]
,,Eins und eins, das macht zwei, drum küss´ und denk´ nicht dabei, denn denken schadet der Illusion…“ Es ist ein rührender Moment, wenn Hilde (Ivana Langmajer), die gerade gestorben ist, und der Teufel (Niclas Kunder) miteinander tanzen. Die Frage, wohin sie denn dann per Aufzug entschwinden- in den Himmel oder in die Hölle- verraten sie nicht. Da kann der Zuschauer selber draufkommen.
Der Jubel im Wolfgang Borchert Theater am Donnerstagabend war riesig, als- sozusagen- der letzte Vorhang gefallen war. Fast zwei Stunden lang hatten ,,Der Teufel und die Diva“ sowie einer souveräne Stephanie Rave live am Klavier das Publikum für sich eingenommen. Fred Breinersdorfer und Katja Röder haben das Stück geschrieben: Hildegard Knef stirbt am 1. Februar 2002 mit 76 Jahren. Die Schauspielerin und Sängerin findet sich in einer Art Zwischenwelt wieder, wo schon der Teufel wartet, um ihrer Seele habhaft zu werden.
Kunder als Mephisto kommt erst einmal die Funktion eines Stichwortgebers zu. Er versucht, die Diva mit Fragen nach ihrem Leben zu kompromittieren, er will die ,, nackte Wahrheit“ über die vielen Männern, ihre Liaison mit dem ,, Reichsfilmdramaturgen“ Ewald von Demandowsky, über ihre Rolle in ,,Die Sünderin“, in der sie eine winzige Nacktszene hat und durch die sie- heute würde man sagen- einen wahren Shitstorm über sich ergehen lassen musste. Kisten und Koffer auf der in Weiß gehaltenen Bühne fungieren dabei wie Schatzkästchen, aus denen die Erlebnisse und Gedanken der interessanten Frau, die sich vom Leben nicht unterkriegen ließ, hervorgezaubert werden.
Knefs hart erkämpftes Glück symbolisieren aber vor allem ihre Lieder. Ivana Langmajer, der die Sängerin nach eigener Aussage kaum bekannt war, bringt Chansons wie ,,So oder so ist das Leben“ oder ,,Ich brauch Tapetenwechsel“ fast filmreif auf die Bühne. In der Inszenierung von Luisa Guarro produziert sie, in ein weißes Gewand gekleidet, immer wieder schöne Erinnerungen an einen Menschen, der ,,nur glücklich“ sein wollte und von der Angst geprägt war, verlassen zu werden.
Dazwischen ein Teufel, der zu den Liedern die Hüfte schwingt und immer weiter in die Vita der Knef eindringt. Am Ende trinken Teufel und Diva gemeinsam Whisky. Und es steht auch nicht nur ein Koffer auf der Bühne, es sind zwei. [Die Glocke]
Ihr geht es doch gut. Herrlich frei kann sie atmen, weg sind die Lungenprobleme. Doch Hildegard Knef braucht Zeit, um zu begreifen, dass sie tot ist. Sie befindet sich in einer Art Übergangswelt, während der Teufel versucht, sie für den Abstieg in die Hölle zu gewinnen. Und das tut Niclas Kunder als Mephisto im Wolfgang-Borchert-Theater wirklich überzeugend. Er ist ein Teufel par excellence: Flirtend, schmeichelnd und auch drohend lässt er nichts unversucht, der Diven-Seele habhaft zu werden. Wer würde Kunder da nicht auf den Leim gehen?
Mit "Der Teufel und die Diva" kommt eine Revue auf die Bühne, die das Leben Hildegard Knefs anhand ihrer Songs nachzeichnet. Regisseurin Luisa Guarro gestaltet die Zwischenwelt ganz in Weiß. Koffer, Kartons und Schachteln stapeln sich und enthalten wichtige Accessoires aus der Karriere der Knef. Durch das Auftürmen der Kisten ergeben sichn Möglichkeiten, den Raum vielseitig zu bespielen.
Ivana Langmajer in der Hauptrolle ist klug. Sie versucht erst gar nicht, die Stimme der Knef nachzuahmen. Das Brüchige, Rauchige kann schließlich kaum jemand imitieren. Langmajer sing die Songs auf ihre Art und Weise. Das Berührende, aber auch das frech Sarkastische der Lieder bringt sie dabei perfekt über die Rampe, der Szenenapplaus unterstreicht dies.
Herz und Kopf dieser Produktion ist Stephanie Rave, die musikalische Lieterin. Zu Beginn überrascht sie mit einem kleinen Solo auf einer singenden Säge und generiert damit sofort eine morbide Atmosphäre: Man spürt, dass etwas nicht unmittelbar Greifbares in der Luft liegt. Sie erschafft einen Kosmos von Stimmungen, der sich mit Ivana Langmajers Gesang zu einer unwiderstehlichen Melange mischt. So erklingen altbekannte Songs aufregend neu - ob es die Birke ist, die ihren Hain verlässt und letztlich als Kommode endet, oder die berühmten Rosen, die beständig regnen sollen. Am Ende widersteht die Knef und verkauft ihre Seele dem Teufel nicht. Dennoch verlässt sie Arm in Arm mit ihm die Bühne. Wohin die beiden gehen? Das bleibt offen. Aber sie werden sicherlich höllisch viel Spaß haben.
Das Publikum applaudierte frenetisch - ein Volltreffer im Borchert-Theater. [Westfälische Nachrichten]
Das im angesagten Ausgehviertel des Münsteraner Hafens gelegene Wolfgang Borchert Theater mit seinen 150 Plätzen und einer angegliederten, heimeligen Kneipe bietet genau die passende Atmosphäre für eine Hommage an jene Künstlerin, die Ella Fitzgerald einst liebevoll-bewundernd als „Beste Sängerin ohne Stimme“ geadelt hatte: Hildegard Knef.
Das Bühnenbild von „Der Teufel und die Diva“ ist in schwarz-weißen Tönen gehalten. Rechts türmen sich weiße Quader und Würfel zu einer vierstufigen Pyramide, in der die Accessoires der letzten großen Diva Deutschlands schlummern. Am linken Bühnenrand sitzt am schwarzen Klavier die ganz in schwarz gekleidete, famose Pianistin Stephanie Rave. Mit der singenden Säge versetzt sie das Publikum in eine morbide Stimmung, die an Bernard Herrmanns unheimliche Klänge in Alfred Hitchcocks „Psycho“ erinnert. Denn es ist der 1. Februar 2002, der Todestag der 1925 geborenen, international erfolgreichen Schauspielerin, Chansonsängerin und Buchautorin Hildegard Knef. Doch die an einer Lungenentzündung gestorbene Kettenraucherin wähnt sich in ihrem weißen Nachtgewand noch immer im Krankenhaus: „Ein Königreich für eine Zigarette!“
Ihr Wunsch wird ihr prompt von einem plötzlich aus dem Fahrstuhl auftauchenden jungen Mann erfüllt, der sich schon bald als Herrscher der Finsternis entpuppt. Er schlägt ihr einen Handel vor: ewiger Ruhm und Spaß im Austausch gegen ihre Seele, wenn sie mit ihm im Fahrstuhl nach unten in die Hölle fährt. Die Alternative wäre die Fahrt nach oben, in den Himmel, wo sie nur Langeweile erwarten würde und alles vergessen wäre. Doch bis sie sich entscheidet, haben Fred Breinersdorfer und Katja Röder, die Autoren des 2013 in Hamburg uraufgeführten Werkes, dem Teufel (Niclas Kunder) noch einen Parforceritt durch Hildes Biografie ins Textbuch geschrieben, den die Knef mit ihren Liedern begleitet.
In ihrer Rolle gelingt es Ivana Langmajer von Anfang an, die Balance zwischen eigener Interpretation und unaufdringlichen Anklängen an die „rauchige“ Stimmlage der Chansonsängerin zu finden. Da sie sich – präzise geführt durch Luisa Guarros Regiehand – ganz auf ihre charismatische Bühnenpräsenz verlässt, wird sie nie zu einem Abziehbild der Knef. So berührt sie mit dem melancholischen „Lass mich bei dir sein“ genauso, wie sie mit dem frech-ironischen „Ich brauch’ Tapetenwechsel“ ein Lächeln auf die Lippen zaubert. Die nach ihrem Studium an der Schule des Theaters „Der Keller“ in Köln mit dem „PUCK“ als beste Nachwuchsschauspielerin ausgezeichnete Ivana Langmajer beweist hier, dass sie auch im Genre Musical, bzw. seinen Art-Verwandten, ihre Frau steht – das macht neugierig darauf, sie auch mal in einer großen Musicalrolle auf der Bühne zu sehen.
Bei Niclas Kunder merkt man noch die fehlende Erfahrung eines Schauspiel-Novizen (Abschluss 2023). Mit seinem jungenhaften Charme rettet er sich aber über kleine Unsicherheiten hinweg, immer kollegial unterstützt von seiner Partnerin, die ihn nie im Regen stehen lässt oder sich in den Vordergrund spielt. Und da Kunder sich gesanglich nicht beweisen muss, kann er sich ganz auf die Präsentation der Höhe- und Tiefpunkte im Leben der auch als „Botschafterin Deutschlands“ verehrten Hildegard Knef beschränken.
So wird „Der Teufel und die Diva“ zu einer unterhaltsamen, mit Liedern garnierten Bühnenbiografie, die uns die neben Marlene Dietrich wohl einzige deutsche Diva in der Film- und Chanson-Geschichte authentisch erleben lässt. Ein einziger Wermutstropfen fällt in die ansonsten sehenswerte Aufführung: Die für Inszenierung, Kostüme und Bühnenbild verantwortliche Luisa Guarro hat (vor lauter Arbeitsüberlastung?) irgendwie vergessen, dem Musical zu geben, was dem Musical gebührt – es erklingt kein Song aus Cole Porters „Silk Stockings“ (1955). Immerhin war Hildegard Knef doch die erste Deutsche, die am Broadway in einem Musical die Hauptrolle gespielt hat! [Musical today]
So viel ist sicher: Hildegard Knef, Deutschlands letzte große Diva, ist auch 2024 noch nicht vergessen – auch wenn genau das ihr im Musik-Schauspiel Der Teufel und die Diva vom Teufel aka Mephisto prophezeit wird, sollte sie nicht wie weiland Faust einen Deal mit ihm eingehen. Dieser Deal verspricht ihr ewigen Ruhm, statt Vergessenheit. Ob Knef darauf eingeht oder ob es doch ihre Songs sind, die sich dem Publikum unvergesslich eingeprägt haben? Der Abend wird eine deutliche Antwort geben…
Alles beginnt mit Hildes Tod 2002, an dem ihr Lebensstil mit reichlich Zigaretten und Alkohol seinen Anteil hat. Sie befindet sich in einer Art Zwischenstation zwischen realer Welt und jenem endgültigen Ort, den sie laut dem lockenden Teufel, der im Laufe des Stücks immer menschlicher agiert und sich als ihr Fan entpuppt, selbst auswählen kann: Himmel oder Hölle. Im Himmel winken laut Mephisto Ruhe und ewige Langeweile, in der Hölle Freiheit und viele alte Bekannte. Und Freiheit war ihr neben der Sehnsucht nach Liebe und Anerkennung stets das höchste Lebensziel. Was spricht also dagegen, den Fahrstuhl am hinteren Ende des weißen Bühnenraums abwärts zu nehmen?
Der Teufel hält Hilde an den Spiegel ihres Lebens vor, und das lässt sich nicht so einfach in gut oder schlecht, vorbildlich oder sündhaft gelebt wegsortieren, wie es die Optionen Himmel oder Hölle weismachen. Männer lässt sie reihenweise sitzen, ihr Verhalten während der Nazi-Herrschaft ist nebulös, und dann ist da noch der heutzutage albern wirkende Skandal um eine Nacktszene im Film Die Sünderin sowie ihr Verhältnis zu Marlene Dietrich, der anderen großen deutschen Diva.
Eine Knef-Hommage wäre nicht komplett ohne ihre Songs. Diese sind derart geschickt ins Bühnengeschehen eingewoben, dass der jeweilige Song genau zur Handlung passt, ob „Tapetenwechsel“, „Eins und eins“, „Rote Rosen“, oder etliche andere Knef-Klassiker. Die Songs kommen nicht aus dem Off, sondern werden von den Darstellern Ivana Langmajer (Hilde Knef) und Niclas Kunder (Teufel) live dargebracht, zur famosen Begleitung von Stephanie Rave am Klavier. Natürlich fehlt es Langmajer und Kunder an der rauchigen „Stimme“ der Knef – Ella Fitzgerlad nannte sie mal die beste Sängerin ohne Stimme -, aber die beiden präsentieren die Songs dennoch so gut, dass das Publikum nach fast jedem in Szenenapplaus ausbricht. Dabei ist besonders Ivana Langmajer in ihrem Element, gilt sie doch seit Hafen-Spektrakel The Black Rider von 2022 als die Singstimme des WBT-Ensembles. Nicht nur für Knef-Fans ein vergnüglicher Abend! [ultimo]