ALLES WAS SIE WOLLEN
ALLES WAS SIE WOLLEN
Komödie. Deutsch von Georg Holzer.
Premiere | Donnerstag, 10. Oktober 2019 | 20 Uhr
Vorstellungsdauer | 1 ½ Std. | Keine Pause
Fotos © Klaus Lefebvre
Eine romantische Komödie, über die Grenzen von Privatsphäre in den Erzählungen anderer und die manchmal schwere Leichtigkeit der Liebe.
Die Autoren Matthieu Delaporte und Alexandre de la Patellière sind dem WBT durch ihr erstes Theaterstück DER VORNAME bestens bekannt. Damit landeten sie nicht nur in Frankreich und Deutschland einen Überraschungserfolg, sondern auch weltweit. Im WBT stand es seit der Spielzeit 2013/14 im Programm, wurde 63 Mal vor (fast) immer ausverkauftem Haus gespielt. Ihr neuestes Stück ALLES WAS SIE WOLLEN wurde 2016 in Paris uraufgeführt, die deutschsprachige Erstaufführung am Deutschen Theater Göttingen war im Oktober 2018. An der Seite von Ivana Langmajer gibt Markus Hennes seinen Einstand als neues WBT-Ensemblemitglied.
Inszenierung | Kathrin Sievers
Bühne & Kostüme | Stephanie Kniesbeck
Mit | Markus Hennes | Ivana Langmajer
PRESSESTIMMEN
Komödie ALLES WAS SIE WOLLEN feiert umjubelte Premiere im Borchert-Theater
Eine Dramatikerin in der Schreib- und Lebenskrise, ein netter Nachbar, der die Dame kulinarisch und mental aufmuntern möchte: Das sind auf den ersten Blick passende Zutaten für eine boulevardeske Mixtur aus Depression, Tröstung und Liebschaft. Doch das Borchert-Theater in Münster macht in der Regie von Kathrin Sievers aus der furiosen und im Wortsinn mehrschichtigen Story aus der Feder des französischen Autorenduos Matthieu Delaporte und Alexandre de la Patellière kein übliches Boulevard-Stück, sondern eine tiefsinnige Komödie – in der auch dramatische Wendungen durchschimmern. Viel Applaus gab es folglich für das darstellende Duo Ivana Langmajer und Markus Hennes, der in diese Stück seinen gelungenen Einstand am WBT feierte.
Stephanie Kniesbeck (Bühne/Kostüme) hat für das Szenario ein funktionales Appartement im feinen Zentrum von Paris ausgestattet, in dem rechts der Schreibtisch der ausgebrannten Autorin Lucie Arnaud und links ein graues Sofa steht. Die linke Wand er Bühne dient als Projektionsfläche, auf der die Zuschauer zunächst wie durch ein Fenster auf Pariser Boulevards herunterschauen und später Lichtprojektionen ihren Platz haben.
Der Computerbildschirm über dem Schreibtisch zeigt an, dass bei Lucie schreibtechnisch nicht viel passiert: Buchstaben, ein paar Wortfetzen, hier herrscht Flaute, was Lucie Arnaud, die Ivana Langmajer facettenreich zwischen Apathie und Aufbegehren spielt, unruhig wie treibende Herbstblätter hin und her wandern lässt. Nachbar Thomas, dem Markus Hennes feine Nuancen vom zunächst nüchternen Steuerberater bis hin zum später einfühlsamen Ideengeber für die ausgebrannte Autorin verleiht, muntert die Mitbewohnerin – typisch französisch – mit kulinarischen Genüssen statt kalter Pizza auf und dringt immer weiter in deren Gefühls-, Beziehungs- und Textwelt ein. Sie steht unter Publikationsdruck und kann halt nur das schreiben, was sie erlebt.
So entsteht für das Publikum ein unterhaltsamer und nachdenklich stimmender Kosmos aus selbst provozierter Realität und dramatische Verarbeitung. Thomas entwickelt Ideen über eine gespielte Beziehungskrise der Autorin zu ihrem Ehemann, diese heuchelt ihrem Gatten eine Affäre vor – und das wiederum wird zum Inhalt des neues Stücks. Wir sehen also das Stück im Stück, das Theater auf dem Theater und das macht Freude und wirkt frisch. Zumal die Regisseurin die fiktiven Szenen, die ucie und Thomas durchexerzieren, in grell-grünes Licht taucht, dabei die linke Lichtwand bunt bespielt und die beiden Protagonisten wie Marionetten über die Bühne wackeln lässt. So vermischen sich Bühne und Realität. Dennoch bleibt der Zuschauer wunderbar im Bilde. Mit Stück und Inszenierung hat das Borchert-Theater einen Glücksgriff getan.
Westfälische Nachrichten, 11.10.2019
Eine Aufführung zum Staunen und Genießen. Je länger die Premiere der kurzweiligen französischen Komödie ALLES WAS SIE WOLLEN währte, desto intensiver packte sie das Publikum am Donnerstagabend im Wolfgang-Borchert-Theater. Regisseurin Kathrin Sievers hat die deutsche Version des kunstvollen Stücks mit stilsicherem Gespür inszeniert.
Ivana Langmajer und Markus Hennes, der neue Mann im Ensemble, erschaffen ein kultiviertes Paar, dessen Freundschaft Zug um Zug wächst. Nach erstem Abtasten mit präziser Schlagfertigkeit entsteht ein kreatives Vertrauensverhältnis, das dann auf eine Bewährungsprobe gestellt wird, als Lucies dramatische Erfindungslust auf die reale Existenz beider verheerend durchschlägt. Erst im charmanten Finale werden Dichtung und Wahrheit vereint: Grundstürzendes ist passiert, aber Lucie und Thomas siezen einander weiterhin.
Mehr darf nicht verraten werden, denn im Gegensatz zu manchen Boulevard-Komödien, die den Zuschauern nur Lacher um Lacher entlocken möchten, gewinnt ALLES WAS SIE WOLLEN durch eine seltene Qualität. Das sorgfältig erdachte Lustspiel erzeugt wie ein Krimi auch einen Thrill. Begierig will man auch begreifen, wie Kunstproduktion und Lebenswirklichkeit einander wechselseitig bedingen und befeuern – eine ziemlich vertrackte Sache.
Dabei sind die souveräne Inszenierung und ihre bezwingend spielfreudigen Akteure wahrlich von guten Mächten wunderbar geborgen: Die Autoren Matthieu Delaporte und Alexandre de la Patellière haben mit dieser zwischen Traum und Tristesse witzig schwebenden Kunst-Komödie bewiesen, dass sie in bester französischer Theater- und Filmtradition stehen und legendären Altmeistern wie Claude Sautet und Alain Resnais ebenbürtig sind.
Die Glocke, 12.10.2019
Starkes Schauspiel
Die federleichte Komödie wird von den beiden Schauspielern Ivana Langmajer und dem neuen Ensemblemitglied Markus Hennes glänzend und immer auf Augenhöhe dargeboten. Beide agieren mit ungeheurem Charme, temporeich und sehr leichtfüßig, das Timing stimmt perfekt. Langmajer beherrscht als Lucie alle Facetten von kratzbürstig-arrogant bis emotional und kokett, Hennes als Thomas brilliert mal als warmherzig-witziger Kumpeltyp, mal als einfallsreicher Mutmacher, mal als verletzlicher Liebender.
Dem entspricht auch der Stil der Inszenierung mit Einfallsreichtum und Eleganz. Der Witz wird nie grob, setzt immer auf Intelligenz, ist eher verhalten denn laut. Besonders gelungen auch die Szenen, in denen die Protagonisten das „Stück“ entwickeln: Im „Stück im Stück agieren Langmajer und Hennes wie Marionetten. Muss man gesehen haben!
Hollywood lässt grüßen
Der Abend bietet leichte Unterhaltung im allerbesten Sinne mit einem feinen Bisschen mehr. Rührende Momente, die jedoch nie ins Sentimentale abgleiten wechseln sich ab mit witzigen Screwball-Szenen und teilweise sogar bösartigen Attacken. Die Schluss-Szene könnte so direkt aus einem Blockbuster aus der Traumfabrik stammen. Köstliche Unterhaltung mit nachhaltigem Spaß.
deinmünster, 11.10.2019
Ins Leben gespült
Screwball-Touch: „ALLES WAS SIE WOLLEN“ am Borchert-Theater
Eine Dramatikerin mit überbordender Fantasie käme wohl nicht in diese missliche Lage: Schreibblockade aufgrund fehlender persönlicher Erlebnisse. Nein, gemeint ist hier nicht das französische Autorenduo Delaporte und de la Patellière, welches in den letzten Jahren erfolgreiche Filmdrehbücher und Theaterstücke nur so aus dem Ärmel schüttelte und auch für einen der größten WBT-Erfolge der letzten Jahre die Vorlage lieferte: DER VORNAME wurde über vier Jahre in 63 Vorstellungen vor insgesamt fast 8000 Zuschauern gespielt. Und ihre Komödie ALLES WAS SIE WOLLEN schickt sich jetzt an, diesen Erfolg zu wiederholen.
Zurück zur schreibblockierten Lucie Arnaud (Ivana Langmajer), die nur über Dinge schreiben kann, die sie selbst erlebt hat. Das Problem: Als mittlerweile arrivierte Autorin lebt sie inzwischen ein eher gleichförmiges Leben, in dem besondere Erlebnisse fehlen. Selbst als der Zufall ihr den neuen Nachbarn Thomas (Markus Hennes in seiner ersten WBT-Rolle scheint wie extra für dieses Stück gecastet) ins Leben spült – ihr überlaufendes Bad setzt seine Wohnung unter Wasser - , erkennt sie die Chance einer Story nicht, ist vielmehr genervt ob der Störung…
Ganz anders Thomas, der viel Interesse für Lucie und ihre Arbeit zeigt – nicht von ungefähr wettet er mit ihr um eine sehr teure Flasche Wein, dass er zumindest eines ihrer Stücke kenne. Und ahnt wohl auch, dass er die Wette verliert – und sie die Flasche gemeinsam leeren werden. Thomas steht in der Folge häufiger bei Lucie auf der Matte, und langsam aber sicher vermengen sich die gespielte „Realität“ und eine „reale“ Fantasie, die durch die Begegnungen ausgelöst wird. Der Zuschauer kann das anfangs noch sehr gut unterscheiden, denn die fantastischen Szenen spielen Langmajer und Hennes mit schrägen Roboterbewegungen, und auch das Licht, in welches die Szenen getaucht werden, wechselt. Doch im Laufe der Zeit wird immer unklarer, was real und was fantasiert ist, und dann mischt sogar noch eine filmische Ebene das irrwitzige Chaos zusätzlich auf. Puh!
Thomas macht Lucie schließlich einen folgeschweren Vorschlag, um ihre Schreibblockade aufzulösen: Sie solle doch einfach ihre Begegnung als Inspiration in ihr Stück einfließen lassen. Doch Lucie geht weiter. Und ab da wird aus einer sehr clever gebauten Komödie mit immer rasanterem Drive auch ein kritischer Exkurs über das Recht auf Verwertung biographischer Erlebnisse anderer Personen. Autoren als Diebe und Vampire der Leben ihrer Mitmenschen…
Doch auch ohne diese Metaebene hat das Publikum viel zu lachen, zuweilen erinnert ALLES WAS SIE WOLLEN an Hollywoods Screwballkomödien der 30er und 40er Jahre mit pointierten Dialogen und sarkastisch trockenem Witz. Hinzu kommt der typisch französische Esprit (klar, bei den Autoren!), der auf blitzartig wechselnden Stimmungen von himmelhochjauchzend bis zutodebetrübt sowie extrem extrovertierten Figuren beruht. Es würde uns wundern, wenn diese Komödie nicht wieder ein absoluter Publikumsrenner wird!
Ultimo, 18.11.2019