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WANN, WENN NICHT JETZT?

Olivier Garofalo

WANN, WENN NICHT JETZT?
Schauspiel. Uraufführung.
Auftragswerk zum 375. Jubiläum des Westfälischen Friedensvertrages.
In Kooperation mit dem Gymnasium Paulinum.
Premiere | Donnerstag, 9. März 2023
Vorstellungsdauer | 1h30 | Keine Pause

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© Klaus Lefebvre & Tanja Weidner

 
Die Welt liegt in Trümmern. Alle befinden sich mit allen im Krieg, seit über zehn Jahren. Staaten bekriegen sich, Extremisten begehen Anschläge. Ohne Frieden gibt es keine Zukunft, doch ohne Kompromisse keinen Frieden – eine Konferenz wird einberufen. Staatspräsidentin Hübsch und das Sicherheitskabinett bereiten sich auf das Zusammentreffen mit dem autoritären Kriegstreiber Barto vor, der wiederum vom Endsieg träumt, egal, wie viele zivile Opfer er fordert. Und dann verliert Hübsch auch noch die eigene Rückendeckung, als ihr Ehemann währenddessen sich radikalen Gegnern annähert – und das nicht nur politisch. Wo beginnen die politischen Ideale und wo enden die privaten? Und was passiert, wenn das Publikum selbst an den Verhandlungstisch tritt . . .?

Eine moderne Suche nach den demokratischen Grundlagen und der Frage, wieviel Einfluss der Einzelne auf die Weltpolitik nehmen kann.

375 Jahre nach dem Westfälischen Friedensschluss fragt der luxemburgische Dramatiker Olivier Garofalo im Auftrag des Wolfgang Borchert Theaters, was vom politischen Dialog übriggeblieben ist, ohne dabei den Blick für die Verantwortung jedes einzelnen aus den Augen zu verlieren. Im Sinne einer experimentellen Geschichtsschreibung wird die demokratische Teilhabe und die Dialogfähigkeit u.a. partizipativ erforscht. Wie steht es um das Zoon politikon? Müssen wir aktiver werden? Und falls ja: Wann, wenn nicht jetzt?

Nach CORPUS DELICTI ist dies die zweite Produktion, in der Regisseurin Tanja Weidner mit virtueller Realität experimentiert. Im Team mit dem Dortmunder VR-Künstler Tobias Bieseke und Bühnenbildnerin Annette Wolf und unter Mitwirkung von Schülerinnen und Schülern des Gymnasium Paulinum entstehen 360°-Filme, die unter anderem Kriegseindrücke aus vier Jahrhunderten erfahrbar machen. 

Inszenierung | Tanja Weidner
Bühne & Kostüme | Annette Wolf
Video & VR | Tobias Bieseke | Jan Schulten
Dramaturgie |  Annika Bade

Diese Produktion wird gesondert gefördert durch die Stiftung der Sparkasse Münsterland Ost und durch Kultur.Gemeinschaften, einem Förderprogramm für digitale Content-Produktion in Kultureinrichtungen und durch die Kulturstiftung der Länder.

Stiftung SPK MSLO rot red Markenschutz Logo KG Logo KS der Länder









Trailer:



PRESSESTIMMEN

Eine bange, fast flehentliche Frage steht über dem Schauspiel des luxemburgischen Dramatikers Olivier Garofalo. Und diese Frage nach dem Krieg und erlösendem Frieden des 90-minütigen Stücks im Borchert-Theater. Es nimmt das Publikum in der Regie von Chefdramaturgin Tanja Weidner mit auf eine emotionale Reise durch Despoten-Hass und Gewalt. Ein Stück, maßgeschneidert für das Gedenkjahr „375 Jahre Westfälischer Frieden“: eine technisch aufwendige Dystopie mit Bühnenhandlung und per VR-Brille eingespielten dreidimensionalen Filmintermezzi, bei denen es leider anfangs hakte. Das Publikum nahm es gelassen, fühlte sich in diesen Kriegs- und Krisenzeiten thematisch angesprochen und applaudierte freundlich.
Garofalo musste, wie er selbst erzählt, sein Auftragswerk im Gedenken and en historischen Friedensschluss 1648 mehrfach neu justieren. Schließlich lieferte der 2022 einsetzende Ukrainekrieg fast die Blaupause für das Werk.
Im Mittelpunkt des Geschehens: Widerling Luis Barto. Der „selbsternannte Kontinentalführer“ wirkt wie eine Mischung aus Putin und Xi Jinping, und Meinhard Zanger haucht ihm knarzend und gekonnt jene Grundverderbtheit ein, die über Leichen geht. Als sich der Tyrann im schweren Hausmantel zum Frühstück auch noch acht gekochte Eier reinzieht und dabei weiter seine Zynismen verbreitet, weiß der Zuschauer, dass Barto ein Vernichter ist und kein Maß kennt. Fünf Kontinente mit fünf Führern, so lautet seine irrwitzige Macht-Agenda. Gegenspielerin Carolyn Hübsch (Ivana Langmajer), europäische Staatspräsidentin, unterstützt von Friedensminister Ullrich (Florian Bender), wirkt dabei auch nicht gerade wie das blütenweiße demokratische Gegenmodell, das sie mit ihrem hellem Hosenanzug gerne geben möchte. Am Ende wird sie sich als korrupt erweisen. Das sind keine schönen Aussichten.
Die Handlung auf der Bühne entfaltet sich allmählich und steuert auf einen finalen Friedenskongress 2048 zu. Da liegt die Welt längst in Trümmern. Ausstatterin Annette Wolf deutet das abstrakt mit schräg aufgeschichteten Podesten und einem Kronleuchter auf halbmast an, der an den Kronleuchter im münsterschen Friedenssaal erinnert.
Garofalo liefert ein vielschichtiges Werk; denn die politischen Protagonisten beackern zugleich ihre privaten Schlachtfelder und Beziehungskisten. Hübschs Ehemann Peter (Gregor Eckert) säuft den Cognac aus der Flasche und hat eine Techtelmechtel mit der spirituell angehauchten Widerstandskämpferin Romina (Erika Jell). Auf der anderen Seite lauern neben Finsterling Barto die Minister Assel (Alessandro Scheuerer) und Tam (Rosana Cleve) auf ihre Chance, die Macht Bartos final an sich zu reißen.
Als Meta-Ebene dienen die auf der Leinwand und durch die Brillen eingespielten 3D-Filme, die VR-Artist Tobias Bieseke und sein Kollege Jan Schulten mit Beteiligung von Schülerinnen und Schülern des Paulinums kunstvoll entwickelt haben. Der Zuschauer sieht sich mit fantastischen Bildern anfangs in eine exotische Tropenregion versetzt, später betritt er den münsterschen Friedensaal, der mehr und mehr in Trümmern liegt. Auf den Bilder der Gesandten tauchen schließlich die Despoten von heute auf. Das Ganze, unterlegt mit epischen Textgirlanden, wirkt wie eine Reise vom paradiesischen Urzustand in eine kriegerische Welt des Grauens. „Kann es Frieden geben, so lange es Menschen gibt?“, so fragt Präsidentin Hübsch an einer Stelle des Stücks passgenau.
Das Ensemble des Borchert-Theaters spielt in der Regie von Tanja Wieder charakterscharf und pointiert, die Technik wird sich sicher einrütteln. Das multimediale Stück von Olivier Garofalo darf als ebenso anspruchsvolles wie aufrüttelndes Auftragswerk über Krieg und Frieden seine Bühnenkarriere antreten.
[Westfälische Nachrichten]


Garofalo musste unter dem Eindruck des Krieges sein Stück in Zusammenarbeit mit der Regisseurin Tanja Weidner und dem Ensemble mehrmals überarbeiten. Das Ergebnis kann sich sehen lassen! Borchert Theater legt mit seiner Inszenierung einmal mehr den Finger in eine aktuelle Wunde – so geht politisches Theater! […]

Barto hat seinen Nachbarn den Krieg erklärt und schickt immer neue Truppen an die Front. Wer sich seinen Befehlen widersetzt, wird umgebracht. Aller Widerstand wird im Keim erstickt. Barto von Zanger kongenial gespielt, zeigt sich als Widerling und skrupelloser Mörder, dem es nur um sich, seinen Vorteil und seine Macht geht. Wenn er genüsslich im prächtigen Morgenmantel auf der Vorderbühne eine Handvoll hartgekochter Eier in den Mund schiebt – eines nach dem anderen und ohne zu schlucken – und dabei seinen ekelhaften Herrschaftssermon deklamiert, dreht sich einem buchstäblich der Magen um.

Die Welt liegt in Trümmern. Alle befinden sich mit allen im Krieg, seit über zehn Jahren. Staaten bekriegen sich, Extremisten begehen Anschläge. Ohne Frieden gibt es keine Zukunft, doch ohne Kompromisse keinen Frieden – eine Konferenz wird einberufen. Das klingt nach einem Westfälischen Frieden. Staatspräsidentin Carolyn Hübsch (wunderbar mondän und selbstherrlich von Ivana Langmajer gespielt) und das Sicherheitskabinett bereiten sich auf das Zusammentreffen mit dem Kriegstreiber Luis Barto vor. Der träumt vom Endsieg, egal, wie viele zivile Opfer er fordert. Er denkt nicht daran, Frieden zu schließen. […]

Die Inszenierung von Tanja Weidner nutzt für einen nachdenklichen Kommentar eine Art Parabel, eine Meta-Ebene. Sie unterbricht das Spiel auf der Bühne, mit einer Art Verfremdungseffekt – Bertold Brecht lässt grüßen. In mehreren 3-D-Filmen wird das Publikum über eine VR-Brille, die man auf ein Zeichen hin während der Vorstellung aufsetzen muss, in eine künstliche Welt entführt. Dabei werden Fragen nach dem Geist der von Menschen gemachten Geschichte gestellt. Die Dystopie bekommt eine weitere pessimistische Perspektive: Wo immer der Mensch in der Geschichte der Erde aufgetaucht ist, folgen über die Jahrtausende immer wieder nur Zerstörung der Umwelt, Ausbeutung aller Ressourcen und schließlich Krieg und Vernichtung. Der Mensch macht aus dem ursprünglichen Paradies eine Hölle.

Die Filme sind von dem VR-Künstler Tobias Bieseke und dem Sound-Artisten Jan Schulten mit Unterstützung von Schülern des hiesigen Paulinum-Gymnasiums gedreht worden. Die künstlichen Welten faszinieren durch ihre perfekten 360°-Perspektiven. Man kann sich tatsächlich drehen und wenden, nach unten und nach oben blicken. Die Videos sind mit moderner KI-Tricktechnik entstanden. Sie entwickeln nicht zuletzt durch die KI-Verfremdungen von Fotos einen eigenen Sog. Wenn bei Aufnahmen aus dem Friedenssaal des Münsteraner Rathauses in der Ahnengalerie des Westfälischen Friedens ausgerechnet verzerrte Porträts von Donald Trump, Vladimir Putin, Kim Jong-un und Xi Jinping auftauchen, wird deutlich was von den Menschen zu erwarten ist. Der Friedenssaal im Jubiläumsjahr 2048 liegt in Trümmern. Es steht zu befürchten das der Geist des Westfälischen Friedens damit auch verloren ist.

„Wann, wenn nicht jetzt“ ist ein anspruchsvolles, intellektuelles Stück, das nicht mehr aber auch nicht weniger als zum Nachdenken auffordert. „Eine moderne Suche nach den demokratischen Grundlagen und der Frage, wieviel Einfluss der Einzelne auf die Weltpolitik nehmen kann“, schreibt das Theater in seiner Programm-Ankündigung.
„375 Jahre nach dem Westfälischen Friedensschluss fragt der luxemburgische Dramatiker Olivier Garofalo im Auftrag des Wolfgang Borchert Theaters, was vom politischen Dialog übriggeblieben ist, ohne dabei den Blick für die Verantwortung jedes einzelnen aus den Augen zu verlieren. Wie steht es um das Zoon politikon? Müssen wir aktiver werden? Und falls ja: Wann, wenn nicht jetzt?“ Sehenswert!
[Westfalium]


Es sollte ein Stück über den Frieden werden und wurde ein Stück über den Krieg. Als das WBT Münster den Auftrag für die Uraufführung an den luxemburgischen Dramatiker Olivier Garofalo vergab, herrschte in Europa Frieden. Dann kam der Ukraine-Krieg und die Realität überrollte die Theatermacher. Jetzt agieren auf der Bühne Kriegsminister und Despoten und keine Diplomaten.

Die Welt liegt in Trümmern, seit zehn Jahren herrscht Krieg. Staatspräsidentin Carolyn Hübsch und ihr Kabinett bereiten sich auf ein Treffen mit dem Kriegstreiber Luis Barto vor. Wir sehen Mechanismen der Macht. Gier und Kalkül, aber auch Privates, Intimes und Persönliches wie die Beziehung zwischen der Staatspräsidentin Hübsch und ihrem Mann. Politik bekommt ein Gesicht. Meinhard Zanger gibt den selbsternannten und eiskalten Kontinentalführ Luis Barto. Wenn er sich Mengen von hartgekochten Eiern in den Mund stopft, und über den Krieg, die Liebe und sein Leben schwadroniert, läuft es einem eiskalt den Rücken hinunter

Regisseurin Tanja Weidner siedelt das Stück WANN, WENN NICHT JETZT? in einer nahen Zukunft an. Bühne und Kostüme von Annette Wolf beziehen sich nicht auf konkrete Ereignisse, das vermittelt Zeitlosigkeit. Krieg ist brutal, egal wo und wann er stattfindet. Als Meta-Ebene hat der Videokünstler Tobias Bieseke zusammen mit Schülerinnen und Schülern Filme gedreht. Visionäre Bilderfluten, in die das Publikum in 360°-Optik mittels VR-Brillen eintauchen kann. Hier vermischen sich die Zeiten und die Bezüge zum Westfälischen Frieden werden deutlicher. Man sieht die 37 Porträts der Gesandten und Botschafter, die 1648 nach Münster reisten, um den Frieden auszuhandeln. Aber auch religiöse Symbole, Zerstörung, Angst und behutsame Anspielungen auf die Gegenwart. Leider hat das Borchert-Team Pech mit der Technik. Erst nach der Hälfte des Premierenabends laufen die Filme. Der Kontrast zwischen der zeitlosen Bühne und den Filmsequenzen könnte kaum größer sein. Das Publikum hält inne, fast so, als wäre man im Kopf eines Kriegstraumatisierten gefangen und würde Gedanken und Assoziationen nachempfinden. Damit schafft Regisseurin Tanja Weidner eine überaus gelungene zusätzliche Dimension, die den Text auffüllt, aufwertet und atmosphärisch erfahrbar macht. Denn in den 90 Minuten verarbeitet der Dramatiker Olivier Garofalo auch viele Allgemeinplätze wie „Die Wahrheit stirbt im Krieg zuerst“ oder „Im Krieg bleibt niemand neutral“. Das ist auf Dauer ein wenig ermüdend. Vielleicht möchte der Autor die immergleichen Phrasen und Abläufe vorführen. Am Ende steht dann die Erkenntnis, dass Frieden im Kleinen anfängt. Jeder ist dafür verantwortlich. Das ist sicher nicht neu. Aber wann, wenn nicht jetzt?
[WDR 5 Scala]


Wann, wenn nicht jetzt?, fragt Olivier Garofalo und meint mit seiner Frage das intensive Bemühen um den Weltfrieden. Sein Auftragswerk zum 375. Jubiläum des Westfälischen Friedens von 1648 wurde während der Entstehungszeit des Textes immer wieder von der Realität überholt. Die Vorgänge in der Ukraine haben uns Krieg als Mittel der Auseinandersetzung und zur Durchsetzung politischer Ziele wieder ganz nahe gebracht, obwohl er in vielen Teilen der Welt permanent tobte. Aber das konnten wir gut verdrängen, denn es geschah ja alles weit weg. Doch die Ukraine ist so nahe und lässt keine Wahl: Jede/r muss Stellung beziehen.

Macht haben, mächtig werden, Ideale hochhalten, Ideale verraten: Zynisch ob all‘ der Menschenopfer ist Krieg auch immer ein Tanz um das goldene Kalb. Wer macht das beste Geschäft? Und gerade diese Gedankengänge sind es, mit denen es Regisseurin Tanja Weidner gelingt, [wirklich] Funken zu schlagen aus Garofalos doch eher „theoretischem“ Text. Weidner ist es, die den Figuren Leben einhaucht durch perfekte Personenführung auf Annette Wolfs kühler, durch Lichtleisten streng gegliederter Bühne.
Im Hintergrund warten die Personen auf Bänken bis sie an der Reihe sind, wie Boxende beim Sparring. Und wenn Tanja Weidner sie dann in den „Ring“ schickt, bringen alle etwas Emotion in den Raum, weil das Miteinander perfekt abgestimmt ist.
Dem Ensemble merkt man an, wie sehr es aufeinander eingespielt ist und alle versuchen nach Kräften, das Höchstmaß an Lebendigkeit in den Abend zu legen und machen „Bella Figura“. Dankbar für seine Rolle als Diktator Barto kann Meinhard Zanger sein. Mit viel Spielraum gibt er ihn als neuen Nero, der erst Todesurteile unterzeichnet und dann acht gekochte Eier zum Frühstück verspeist. Das ist ganz schön „on the edge“, aber eben nicht drüber.
[Theater Pur]